Hemmnis für Wirtschaftsaustausch
Visa-Streit Türkei-EU
Für viele österreichische Touristen und Geschäftsleute ist die Türkei ein attraktives Reiseziel – denn die aufstrebende Wirtschaftsmacht bietet der heimischen Wirtschaft fast unbegrenzte Möglichkeiten. Einer der Bremsklötze ist allerdings die Visum-Pflicht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 13.09.2011
Partnerschaft verlangt
Immer mehr gut ausgebildete Türken verlassen Deutschland und Österreich, um in Istanbul, Kayseri oder Samsun einen attraktiven Job zu finden. Aber auch für ungelernte Arbeiter gibt es in den aufstrebenden Städten der Türkei genug zu tun. Eine Entwicklung, die von den europäischen Innenministern beharrlich ignoriert werde, meint der Ostexperte Gerald Knaus: Das Problem der Einwanderung aus der Türkei sind nicht Türken. Afghanen, Nordafrikaner,…. Um mit diesem Problem zu Recht zu kommen, braucht die EU türkische Unterstützung. Die EU muss ein Partner werden.
Vorbild Balkan-Länder
Das Modell für diese Partnerschaft liegt schon lange auf dem Tisch. Denn was die EU der Türkei derzeit verweigert, wurde in Osteuropa und auf dem Balkan während der letzten Jahre Schritt für Schritt umgesetzt. Nachbarstaaten der EU haben ihre Sicherheitsstandards und ihre Asylpolitik an Europa angepasst und bekamen im Gegenzug Visafreiheit. Statt wie die USA aufwendige Grenzbefestigungen zu bauen, hatte man in Brüssel auf Zusammenarbeit mit den Nachbarn gesetzt.
Eine Entwicklung, die Gerald Knaus und sein renommiertes Institut ESI in den Balkan-Ländern aus der Nähe beobachtet haben, und die nun auch für die Türkei ausgedehnt werden könnte: Türkische Politiker haben gesehen, dass Länder wie Albanien, Bosnien, Serbien, Mazedonien einen Prozess begonnen haben. Man hat ihnen Bedingungen gestellt, was sie machen müssen. Sie haben die Bedingungen erfüllt. Und sie haben vor ein oder zwei Jahren jeweils Reisefreiheit bekommen. Und jetzt haben türkische Politiker gesagt: gebt uns auch so eine Liste mit Bedingungen. Wir werden sie auch erfüllen, und wir fordern gleich behandelt zu werden.
Österreich bald alleine
Eigentlich ist der Vertrag zwischen der EU und der Türkei bereits ausverhandelt. Die türkische Regierung ist bereit, abgeschobene Flüchtlinge aus Drittländern aufzunehmen, wenn sie über die Türkei nach Europa eingereist sind. Auch die strengen Sicherheitsstandards der europäischen Grenzbehörde Frontex will die Türkei umsetzen – vorausgesetzt, die EU hebt ihrerseits die Visa-Pflicht für türkische Staatsbürger auf.
Doch genau an diesem Punkt scheitern die Gespräche, nicht zuletzt, so ist man in der Türkei überzeugt, weil vor allem Österreich die Visa-Freiheit für Türken ablehne. Mit dieser strikten Haltung könnte Österreich allerdings bald alleine dastehen. Denn Deutschland ist aus rechtlichen Gründen gezwungen, türkische Staatsbürger ohne Visum einreisen zu lassen. Weil es bereits in den Sechzigerjahren unter jenen Staaten war, die ein Assoziationsabkommen mit der Türkei unterzeichnet haben.
Damit könnte doch noch Bewegung in den Konflikt kommen, meint der Osteuropa-Experte Gerald Knaus: Europäische Gerichte bestätigen das derzeit: Der Europäische Gerichtshof, Gerichte in den Niederlanden und in Deutschland. Eigentlich ist die Reisebeschränkung für die Türkei aufgrund des Assoziationsabkommen für viele EU-Länder ohnehin illegal. Das heißt der Druck erhöht sich auch dort. Es gibt also ein eminentes Interesse, einen Weg zu finden, wo sowohl Sicherheit wie auch Bewegungsfreiheit für alle Europäer sich erhöhen, und eben auch für die Türken.
Für viele Türken hat das Thema große symbolische Bedeutung. Wenn schon der volle Beitritt ihres Landes zur EU derzeit blockiert wird, so haben die Europäer ihnen doch ausdrücklich eine privilegierte Partnerschaft versprochen. Doch davon ist im Moment wenig zu spüren.