Weichenstellung für Wirtschaftsregierung
Entscheidung über schärferen Sparkurs
Die Abgeordneten des EU-Parlaments stimmen über sechs Gesetzesvorschläge ab, die zu einer Stärkung des Eurostabilitätspaktes führen sollen. Mehr als ein Jahr wurde verhandelt – nun aber droht das Paket zu scheitern. Vor allem Sozialdemokraten und den Grüne befürchten ein Totsparen der Schuldenländer.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 28.09.2011
"Six-Pack" für mehr Stabilität
Fast 70 Mal wurde der Euro-Stabilitätspakt gebrochen - jener Vertrag, der die Gemeinschaftswährung absichern soll. Dieser zahnlose Tiger bekommt jetzt Zähne. Beim reformierten Eurostabilitätspakt müssen notorische Defizitsünder künftig Geld auf gesperrten Konten hinterlegen. Bekommen sie ihr Defizit nicht in den Griff, wird es als Bußgeld eingezogen. Die EU-Kommission, die zum Kontrollorgan aufgewertet wird, macht Vorschläge, wie ein Schuldenstaat den Schuldenpfad wieder verlassen könnte. Aber sie greift künftig bei Ungleichgewichten ein, etwa wenn in einem Land die Löhne weit unter dem Niveau der anderen Euroländer liegen und es sich dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft. All das findet sich in jenen sechs Gesetzesvorschlägen, die im EU-Jargon "Six-Pack" genannt werden.
Gegen "blindes Schuldenmachen"
Ein Jahr lang haben EU-Kommission, die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament um einen Kompromiss gefeilscht. Othmar Karas, Delegationsleiter der ÖVP-Europaabgeordneten, unterstützt die Pläne. Er sieht darin einen Schritt in die richtige Richtung, der "hoffentlich dafür sorgt, dass wir nicht weiter blind Schulden machen".
Gegen "Kaputtsparen"
Während die Europäische Volkspartei und die Liberalen im EU-Parlament für die sechs Gesetzesvorschläge stimmen wollen, regt sich bei vielen anderen Parteien Widerstand. Den Sozialdemokraten fehlt beim neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt der Wachstumsaspekt. Er liefe auf Kaputtsparen hinaus. SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner formuliert pointiert: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Spare in der Not und du bist tot." Regner kritisiert vor allem die Rasenmähermethode – es werde nicht zwischen guten und schlechten Schulden unterschieden. Es sei ein Unterschied, ob man etwa in veraltete Militärstrukturen investiert oder in Neues, Zukunftsweisendes.
Zu sehr aufs Sparen konzentriert
Theoretisch muss ein Schuldenland dann auch seine Forschungsausgaben kürzen, um sein Defizit abzubauen. Die Sozialdemokraten werden die meisten Gesetzesvorschläge heute ablehnen, auch die Grünen lehnen den verschärften Eurostabilitätspakt teilweise ab, sagt die Grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek, denn er sei zu sehr auf "Austeritätsmaßnahmen und einnahmenseitiges Einsparen konzentriert".
Gegen Zentralisierung
Einige positive Neuerungen sieht der FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer in den Vorschlägen, wie etwa die strengere Überwachung und Sanktionen für Defizitsünder. Das Abtreten von Kompetenzen nach Brüssel lehnt er aber ab. Neue Institutionen würden nicht besser sein als die bestehenden, so Mölzer: "Mit mehr Zentralisierung wird man diese Probleme nicht lösen, sondern es wird eher Dezentralisierung kommen müssen."
Knappe Entscheidung
Die Abstimmung über die sechs Gesetzesvorschläge wird knapp. Würden ausschließlich die österreichischen EU-Abgeordneten entscheiden, würden die Pläne zur Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes wohl scheitern.