Ein langer Kampf geht zu Ende
Berlusconi macht Schluss
Sexaffären, Schuldenkrise und Korruptionsvorwürfe - Silvio Berlusconi hat sich lange und erfolgreich gegen seine Absetzung gewehrt, wiederholte Male überstand er Vertrauensabstimmungen. Vor allem die schlechte Wirtschaftslage Italiens und ein bevorstehendes Sparpaket brachten das Fass aber zum Überlaufen und Berlusconi zur Rücktrittsankündigung.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 09.11.2011
Betrugs- und Sexprozesse
Zugleich droht dem konservativen Politiker, dessen Vermögen das Magazin "Forbes" einmal mit neun Milliarden Dollar bezifferte, auch privat Ungemach: In vier Betrugs- und Sexprozessen steht er vor Gericht. Und eine weitere Sex-Affäre ist im Kommen - Zeitungen warteten mit Enthüllungen über neue "Bunga Bunga"-Orgien auf. In heimlich mitgeschnittenen Gesprächen rühmt sich der rüstige 75-Jährige, in einer Nacht Sex mit acht Frauen gehabt zu haben. Wegen seiner sexuellen Eskapaden, so räumte der Medienmogul ein, komme er kaum zum Regieren.
Ordensschüler, Jus-Student, Sänger
Dabei war ihm sein schillernder Lebenswandel nicht in die Wiege gelegt: Erzogen wurde Berlusconi in einer Schule des Salesianer-Ordens, später absolvierte er an der Mailänder Uni sein Jura-Examen mit Bestnote. In Finanzfragen erwies sich Berlusconi schon früh als einfallsreich: Sein Studium finanzierte er sich als Conferencier und Pianist bei Schiffskreuzfahrten und Auftritten als Sänger. Damals hatte er noch keine Schönheitsoperationen nötig, mit denen er Jahrzehnte später für Aufsehen sorgte.
Peinliche "Scherze"
Im Ausland gilt "Il Cavaliere" wegen seiner extravaganten Art und seines Hangs zu schlüpfrigen Scherzen oft als Witzfigur. Und sein Ego scheint unbegrenzt: Als Chef einer Mitte-Rechts-Regierung verglich er sich einmal mit keinen Geringeren als Jesus und Napoleon und fügte - obwohl keineswegs ein Riese - hinzu, er sei definitiv höher gewachsen als der Franzosen-Kaiser. Mit der Andeutung, er habe die finnische Präsidentin Tarja Halonen verführt, um deren Unterstützung zu bekommen, provozierte Berlusconi eine kleine diplomatische Krise. "Ich habe alle meine Playboy-Tricks angewendet, obwohl ich sie seit geraumer Zeit nicht mehr genutzt habe." Für einen Eklat sorgte er auch, als er den SPD-Politiker Martin Schulz im Europarlament mit einem Nazi-Schergen verglich.
Immobilien- und Medienmogul
Von solchen Scherzen abgesehen, liegt der Schlüssel zu Berlusconis Erfolg wohl in seinem Ruf als einer, der es aus eigener Kraft bis ganz nach oben geschafft hat. Das gilt viel in einem Land, in dem der Aufstieg meist von einflussreichen Freunden in Spitzenämtern abhängt. Berlusconi fing im Immobiliengeschäft an und gründete später den Medienkonzern Mediaset, der das Fernsehgeschäft in Italien dominiert.
Politisches Engagement
In den frühen 90er Jahren gründete Berlusconi die Partei Forza Italia, die rasch das Vakuum füllte, das der Zusammenbruch der bis dahin vorherrschenden Christdemokraten hinterlassen hatte. Kritiker werfen ihm vor, er habe seine erste Amtszeit von 1994 bis 1996 hauptsächlich genutzt, um Gerichtsverfahren abzuwehren und seine privaten Geschäfte voranzutreiben.
Amtszeit-Rekord
2001 gelang Berlusconi die Rückkehr an die Macht. Seine Koalition mit Neo-Faschisten, Christdemokraten und den Separatisten von der Lega Nord hielt die gesamte Legislaturperiode. Das war Rekord in einem für seine kurzlebigen Regierungen berüchtigten Land. Die knappe Wahlniederlage gegen Romano Prodi 2006 hat das Stehaufmännchen der italienischen Politik nie anerkannt.
Schwere Niederlagen
Seit 2008 ist Berlusconi nun wieder an der Macht. Seither trieb er den Wiedereinstieg Italiens in die Atomkraft voran und musste sich weiter in Betrugs-, Steuer- und Bestechungsaffären verteidigen. Im Februar gingen Hunderttausende Frauen im ganzen Land auf die Straße und forderten den Rücktritt Berlusconis. Im Mai erlitt Berlusconis Popolo della Liberta schwere Niederlagen bei etlichen Bürgermeisterwahlen. Im Juni sprachen sich in einer Volksabstimmung über 94 Prozent gegen den Bau von Atomkraftwerken aus.
Sympathien verspielt
Im Juli brachen wegen zunehmender Angst an den Finanzmärkten die Kurse italienischer Staatsanleihen ein. Die Regierung in Rom musste daraufhin unter dem Druck der Finanzmärkte mehrfach Sparpakete nachbessern. Die Sparmaßnahmen sind in der Bevölkerung zutiefst unpopulär und rauben Berlusconi Sympathien. Nachdem ihm nun auch das Parlament die Mehrheit versagt, zieht der Langzeit-Premier die Konsequenzen und kündigt seinen Rücktritt an. (Reuters, Red.)