Plädoyer für Vertragsänderungen

Merkel: EU-Kommission stärken

"Merkozy" werden die deutsche Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy mittlerweile genannt, weil sie die tonangebenden Regierungschefs in der Schuldenkrise sind. Nach Nicolas Sarkozy gestern Abend hat heute Vormittag Angela Merkel im deutschen Bundestag ihre Sicht der Dinge dargestellt.

Mittagsjournal, 2.12.2011

"Politik hat Vertrauen verspielt"

Angela Merkels Regierungserklärung enthält Grundsätzliches und auch Konkretes, aber nichts Detailliertes. Zunächst zum Grundsätzlichen: Europa stecke in einer Krise, und zwar in einer die sich nicht einfach und schnell lösen lasse, so Merkel. Um in der Sprache des Sports zu sprechen - keine Sprinter sind jetzt zur Lösung der Krise gefragt, sondern Marathonläufer: "Nicht der, der am schnellsten beginnt, gewinnt, sondern der, der weiß, was für die gesamte Strecke zu beachten ist." Diese Marathonläufer müssen wieder vor allem eines zurückgewinnen: Vertrauen. Wer dieses verspielt hat, macht Merkel sehr deutlich: "Das ist, das müssen wir schonungslos sagen, die Politik."

Schuldengrenzen und Sanktionen

Damit zum Konkreten. Auf den jetzigen ersten Kilometern seien Maßnahmen wichtig, die stabilisierend wirken, sagt Merkel. Und das seien derzeit sicher nicht gemeinsame Staatsanleihen, also die Eurobonds. Wer das nicht verstanden habe, der habe das Wesen dieser Krise nicht verstanden.

Hingegen, so Merkel, würden sich mit dem vereinbarten Rettungsschirm die ersten Kilometer gut überwinden lassen. In der zweiten Hälfte des Marathons müssten dann tiefgreifende Veränderungen vorgenommen werden, damit Europa nicht wieder in eine derartige Krise gerät. Zum Beispiel müssten Europäische Institutionen gestärkt werden, wie etwa die EU-Kommission, und es müssten Schuldengrenzen eingeführt werden. Wer diese nicht einhält, müsse mit Sanktionen rechnen. Das Ziel sei auf jeden Fall nur auf einem Weg zu erreichen - über Vertragsänderungen, fordert Merkel. Die Spaltung zwischen Euro- und Nicht-Eurostaaten müsse vermieden werden. "Wir werden es auch jedem Nicht-Mitgliedsstaat freistellen, sich den stärkeren Verbindlichkeiten der Euro-Zone anschließen zu können."

Opposition wettert

Und warum soll man sich den Marathonlauf überhaupt antun? Merkel: "Der Euro steht für den Willen Europas, seine innere Entwicklung zu festigen und sich den Herausforderungen der heutigen globalen Zeit zu stellen. Die Zukunft des Euro ist deshalb untrennbar mit der europäischen Einigung verbunden."

Nicht jeder jubelt Merkel entlang ihres Laufes zu. Gregor Gysi von den Linken meint etwa: "Mir Frau Merkel bei einem Marathonlauf vorzustellen, fällt mir auch sehr schwer. Aber im Ernst: Ihr Weg ist vollständig und rundum gescheitert."

Und Frank Walter Steinmeier von der SPD, ruft ihr zu: "Keiner, Frau Merkel, wirft Ihnen vor, dass es die Krise gibt. Aber wie Sie mit ihr umgehen, das geht auf keine Kuhhaut."

Jürgen Trittin von den Grünen glaubt, Merkel habe die Dimension der Krise nicht begriffen: "Wir reden von einer dramatischen Situation und Frau Merkel sitzt auf ihrem Stuhl und überlegt sich, ob sie irgendwann die Turnschuhe aus dem Schrank holt."

Faymann bei Merkel

Merkel lässt sich davon nicht irritieren - ihr sind andere europäische Läuferkollegen wichtiger. Dass sich manche von ihnen ärgern, dass Deutschland immer ganz vorne laufen muss, kann Merkel nicht verstehen: "Deutsche und europäische Einigung waren und sind zwei Seiten ein und derselben Medaille."

Daher wird Angela Merkel in den nächsten Tagen mit ihren Kollegen nicht nur über das Allgemeine und Konkrete sprechen, sondern auch über das Detaillierte. Einer wird bereits in den nächsten Minuten im Bundeskanzleramt hier in Berlin einlaufen - der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann.