Schriftsteller Alaa al Aswani optimistisch

"Ägyptens Revolution lebt"

Der ägyptische Schriftsteller Alaa al Aswani – er zählt zu den berühmtesten Autoren der ägyptischen Gegenwart – hat sich schon unter dem Mubarak-Regime in der Opposition engagiert. Inzwischen ist er einer der prominentesten Kritiker des regierenden Militärrates und eine der couragiertesten Stimmen der Revolution. Für die Zukunft Ägyptens ist Aswani trotzdem optimistisch.

Früh hat al Aswani erkannt, dass die Generäle die Revolution benutzen, um ihren eigenen Staatsstreich durchzuführen. Auch den Opportunismus der Muslimbrüder, die sich in alle Richtungen verrenkten, um an die Macht zu gelangen, hat al Aswani angeprangert. Jetzt, wo die Brüder einen überwältigenden Wahlsieg einzufahren scheinen, beruhigt er. Man müsse sich nicht fürchten vor ihnen, wie er im Ö1 Interview sagt.

Mittagsjournal, 02.12.2011

Aus Kairo berichtet

Muslimbrüder punkten bei Armen

Alaa al Aswani empfängt in seiner Praxis. Hier behandelt der gelernte Zahnarzt zweimal in der Woche noch immer Patienten. Das ermögliche ihm das wichtigste für einen Schriftsteller: den Kontakt mit dem Volk.

Warum haben so viele für die Muslimbrüder und Salafisten gestimmt, fragen wir ihn: „Es gibt viele arme Menschen, vor allem am Land, deren religiöse Gefühle sie benutzt haben, um Stimmen zu fangen. Zweitens sind die Muslimbrüder (anders als die neuen liberalen Parteien) seit 80 Jahren organisierte Gruppen. Und drittens haben sie viel Geld. Ihre Geldflüsse sind nicht kontrolliert worden, auch die der Salafisten nicht, Millionen Dollar aus Saudi Arabien und den Golfstaaten. Während die Parteien der revolutionären Kräfte in den Staatsmedien als Geldempfänger ausländischer Mächte diffamiert worden sind“.

"Sind keine Gefahr für Demokratie"

Dennoch sei er nicht besorgt. Die Ägypter müssten jetzt die Erfahrung machen, dass wer Religion und Politik mischt, beides verliert. Die Menschen seien nicht dumm, ein zweites oder drittes Mal würden sie anders wählen.

Die hohe Wahlbeteiligung zeige auch, dass die Ägypter ihr Land gewählten Institutionen anvertrauen wollen. Darüber hinaus, sagt Alaa al Aswani, stimme das Bild der Muslimbrüder im Westen nicht, wo sie als Fanatiker, ja Terroristen gezeichnet würden: „Das ist absolut nicht wahr. Die Muslimbrüder - mir deren Ideen ich überhaupt nicht einverstanden bin – haben mit Gewalt nichts zu tun, sie haben ihr 1965 abgeschworen. Sie sind rechts, konservativ, religiös und alles eher als revolutionär. Das Bild der Fanatiker aber hat Mubarak kreiert, um seine Diktatur zu rechtfertigen. Die Muslimbrüder sind keine Gefahr für die Demokratie“.

Ägyptischer Islam liberal

Anders die Salafisten. Diese stünden in direkter Verbindung mit den ultrakonservativen Wahabiten in Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Sie haben im Wahlkampf erklärt, Islam und Demokratie seien nicht vereinbar. Aber die ägyptische Gesellschaft sei für ihre rückwärtsgewandte Ideologie nicht anfällig.

Der ägyptische Islam sei seit 1899 von Mohammad Abduh geprägt, erklärt Autor al Aswani, und sehr liberal. Aus den Golfstaaten seien Millionen an die Salafisten geflossen, Mubarak habe sie (anders als die Brüder) benutzt und begünstigt. Und dennoch: 30 Jahre und Unmengen Geld hätten nichts daran geändert, dass sich Liebespaare bis heute am Nilufer küssen könnten, ohne dass sie jemand dabei störe: „Es ist ein Element der ägyptischen Kultur, dass du selbst über deinen Lebensstil entscheidest, du kannst trinken, in die Moschee gehen, in die Kirche – du entscheidest. Es ist das Gegenteil der saudisch-wahabitischen Linie, wo der Staat sagt, was gut für Dich ist“.

Saudi Arabien und die Golfstaaten hätten großes Interesse an Ägypten, weil Ägypten seit 200 Jahren Vorbild für die arabische Welt sei: „Sie wissen, dass alles was in Ägypten passiert, großen Einfluss auf ihre Königreiche haben wird, die politisch im 14 Jahrhundert stecken. Ägypten hat immer schon für sie gefährliche Ideen ausgestrahlt. Die revolutionäre Zeit unter Nasser hat ihnen eine Menge Ärger beschert“.

Revolution lebt

Allen Rückschlägen zum Trotz: Ägyptens junge Revolution sei nach wie vor am Leben. Solange Menschen auf die Plätze kämen, so wie vergangene Woche, sei sie stärker als das System. Jeder und jede, die am Aufstand teilgenommen hätten, habe eine prägende Erfahrung gemacht, diese Millionen seien andere Menschen geworden, ist Alaa al Aswani überzeugt. Die Ägypter ließen sich kein autoritäres System mehr überstülpen.