Ex-Menschenrechtler Moncef Marzouki

Tunesien: Erster demokratisch gewählter Präsident

Tunesien hat mit Moncef Marzouki einen neuen Präsidenten. Fast genau ein Jahr nach dem Beginn des Aufstands gegen den autokratischen Langzeit-Herrscher Zine el-Abidine Ben Ali wurde der frühere Menschenrechtler am Montag von der verfassungsgebenden Versammlung in Tunis gewählt.

Abendjournal, 13.12.2011

Seit heute im Amt

Bereits wenige Tage nach der Flucht von Ben Ali aus Tunesien hat der Dissident und Menschenrechtsaktivist Moncef Marzouki seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten angekündigt: jetzt ist es soweit. Zu Mittag hat er vor der verfassungsgebenden Versammlung seinen Eid abgegeben.

Zusammenarbeit mit Islamisten

Seine linksgerichtete Partei CPR, die Marzouki während der Herrschaft Ben Alis aus dem Exil geleitet hat, ist bei den Wahlen im Oktober zweitstärkste Kraft hinter der islamistischen Enahda Partei geworden. Dass Marzouki jetzt mit dieser zusammenarbeiten will, werfen ihm viele vor. Zumal die eigentliche Macht nicht beim Präsidenten, sondern beim Premierminister, einem Enahda-Mitglied, liegt. Marzouki selbst sieht das pragmatisch: Man darf sich die tunesischen Islamisten nicht wie die Taliban vorstellen. Der Islamismus hat ein sehr breites Spektrum. Und wir haben das Glück, dass wir eine moderate Partei haben. Die Enhnada sind Zentristen, also vergleichbar mit den Christdemokraten in Italien.

Zudem sei es wichtig, alle Tunesier zu repräsentieren, sagt Marzouki: „Enahda hat 40 Prozent der Stimmen erhalten, das heißt aber auch, dass rund 60 Prozent sie nicht gewählt haben. Das darf man nicht vergessen. Darum ist eine Zusammenarbeit wichtig“.

Neuwahl schon in einem Jahr

Die für ein Jahr gewählte Versammlung soll die Neuwahlen im nächsten Jahr vorbereiten. Dann soll die derzeitige Regierung komplett ausgetauscht werden, auch Marzouki. Beobachter befürchten, dass es die Enahda genau darauf abgesehen haben könnte - und Marzouki dann keine Rolle mehr spielen werde.