Ex-Menschenrechtler Moncef Marzouki
Tunesien: Erster demokratisch gewählter Präsident
Tunesien hat mit Moncef Marzouki einen neuen Präsidenten. Fast genau ein Jahr nach dem Beginn des Aufstands gegen den autokratischen Langzeit-Herrscher Zine el-Abidine Ben Ali wurde der frühere Menschenrechtler am Montag von der verfassungsgebenden Versammlung in Tunis gewählt.
27. April 2017, 15:40
Abendjournal, 13.12.2011
Seit heute im Amt
Bereits wenige Tage nach der Flucht von Ben Ali aus Tunesien hat der Dissident und Menschenrechtsaktivist Moncef Marzouki seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten angekündigt: jetzt ist es soweit. Zu Mittag hat er vor der verfassungsgebenden Versammlung seinen Eid abgegeben.
Zusammenarbeit mit Islamisten
Seine linksgerichtete Partei CPR, die Marzouki während der Herrschaft Ben Alis aus dem Exil geleitet hat, ist bei den Wahlen im Oktober zweitstärkste Kraft hinter der islamistischen Enahda Partei geworden. Dass Marzouki jetzt mit dieser zusammenarbeiten will, werfen ihm viele vor. Zumal die eigentliche Macht nicht beim Präsidenten, sondern beim Premierminister, einem Enahda-Mitglied, liegt. Marzouki selbst sieht das pragmatisch: Man darf sich die tunesischen Islamisten nicht wie die Taliban vorstellen. Der Islamismus hat ein sehr breites Spektrum. Und wir haben das Glück, dass wir eine moderate Partei haben. Die Enhnada sind Zentristen, also vergleichbar mit den Christdemokraten in Italien.
Zudem sei es wichtig, alle Tunesier zu repräsentieren, sagt Marzouki: „Enahda hat 40 Prozent der Stimmen erhalten, das heißt aber auch, dass rund 60 Prozent sie nicht gewählt haben. Das darf man nicht vergessen. Darum ist eine Zusammenarbeit wichtig“.
Neuwahl schon in einem Jahr
Die für ein Jahr gewählte Versammlung soll die Neuwahlen im nächsten Jahr vorbereiten. Dann soll die derzeitige Regierung komplett ausgetauscht werden, auch Marzouki. Beobachter befürchten, dass es die Enahda genau darauf abgesehen haben könnte - und Marzouki dann keine Rolle mehr spielen werde.