Anti-Korruptionsexperte drängt auf Reformen

"Europarat-Rüge Ohrfeige für Österreich"

Der Europarat verstärkt mit seinem aktuellen GRECO-Bericht über Korruption und Parteienfinanzierung den Druck auf Österreich. Schärfere Maßnahmen gegen Bestechung werden darin dringend empfohlen, vor allem die Parteienfinanzierung sollte transparenter gemacht werden. Politikwissenschaftler Hubert Sickinger interpretiert den Bericht des Europarats als "Ohrfeige für den Gesetzgeber".

Mittagsjournal, 13.01.2012

Verriss Österreichs

Durch den GRECO-Bericht der Anti-Korruptionsexperten des Europarates liegt jetzt schwarz auf weiß vor, was man als Staatsbürger nach all den mutmaßlichen Korruptionsaffären ohnehin vermutet hat: um die Korruptionsbekämpfung in Österreich schaut es nicht gut aus. Die Gesetze sind zu wenig streng. Für Politiker ist bei uns vieles erlaubt, was in anderen Ländern streng verboten wäre. Besonders schlimm steht es laut GRECO-Bericht um die Geldflüsse an die politischen Parteien. Der Anti-Korruptionsexperte Hubert Sickinger sieht hier einen regelrechten Verriss Österreichs.

Sogar diplomatische Höflichkeit fehlt

Länderberichte von internationalen Organisationen sind in der Regel recht höflich formuliert - wenn es Kritik gibt, dann nachdem zuvor die positiven Seiten oder Bemühungen eines Landes ausreichend gewürdigt wurden. Bei dem GRECO-Bericht des Europarates über die Parteienfinanzierung in Österreich ist das auffallend anders, sagt der Politikwissenschaftler Hubert Sickinger: das allgemeine Urteil sei vernichtend. Üblicherweise gebe es bei solchen Berichten am Beginn einige positive Bemerkungen, hier fehle diese diplomatische Höflichkeit gänzlich, das Signal sei sehr deutlich.

Keine Sanktionen bei Verstößen

Der GRECO-Bericht kritisiert etwa das Fehlen von wirksamen Gesetzen über das Offenlegen von Parteispenden, über die Buchhaltung der Parteien und über ein Mindestmaß an bundesweit einheitlichen Bestimmungen. Es gebe keine unabhängige Kontrolle und bei Verstößen keine Sanktionen, das sei ein Verriss durch den Europarat.

Korruptionsoase

Auch der Teil des GRECO-Berichts über die Korruptionsbekämpfung bringt massive Kritik an der österreichischen Praxis. Vor zwei Jahren schon gab es in diesem Zusammenhang von der OECD nach einer Österreich-Untersuchung den wenig schmeichelhaften Begriff Korruptionsoase zu hören.

Eklatante Gesetzeslücken

Immerhin wird im GRECO-Bericht das Vorhandensein von Strafbestimmungen festgestellt - aber die werden als zu wenig streng und vor allem als lückenhaft beurteilt. Hubert Sickinger sagt dazu, es werde in dem Bericht zielsicher darauf hingewiesen, dass die Regelungen gegen Abgeordnetenbestechung unzureichend sind. Auch die Bestimmung gegen Einflusshandel und verbotene Intervention nach dem Strafgesetzbuch werden als unzureichend erachtet, also alles was politische Intervention betrifft.

Zugespitzt ausgedrückt: die Gesetzeslücken bei der Korruptionsbekämpfung sorgen dafür, dass in Österreich vieles erlaubt ist, was in anderen Ländern verboten wäre. Internationale Standards werden nicht erfüllt, so Sickinger.

Verbesserungsvorschläge inkludiert

Der Bericht enthalte aber gleichzeitig zahlreiche Empfehlungen mit Verbesserungsvorschlägen, sagt der Politikwissenschaftler, vor allem im Bereich der Korruptionsbekämpfung bei politischen Amtsträgern.