"Ursache der Krise nicht erkannt"
S&P-Analyst: Fehldiagnose der Politik
Der Hauptgrund für die Herabstufung der Bonität Österreichs und etlicher anderer Euro-Länder liege in der Art und Weise, wie die europäische Politik mit der Krise in der Euro-Zone umgeht, sagt Moritz Kraemer, Chefanalyst für die Länderbewertungen von Standard & Poor's. Die Schuldenbremse ist seiner Ansicht nach keine Lösung.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 16.1.2012
S&P-Analyst Moritz Kraemer im Gespräch mit Volker Obermayr
Österreich "verwundbar"
Die Risiken für einen schnelleren wirtschaftlichen Abschwung hätten zugenommen, warnt Kraemer im Ö1 Interview. Im Vergleich zu Deutschland sei Österreich "verwundbarer", einerseits weil die öffentlichen Finanzen in einer etwas schwächeren Situation seien, andererseits wegen der höheren möglichen Verbindlichkeiten durch das Bankensystem. Abhilfe aus Sicht des S&P-Analysten: Österreich müsse an einer Lösung der europäischen Schuldenkrise mitarbeiten, "die über den Tag hinaus gelten kann".
"Diagnose nicht gelungen"
Dass das Rating gerade jetzt verschlechtert wurde, zu einer Zeit, in der die EU um eine Lösung ringt, begründet Kraemer mit der unterschiedlichen Sichtweise, die verschiedene Beobachter haben und damit, dass die "Diagnose" über die Ursachen nur teilweise gelungen sei. Denn die Krise gehe über die öffentliche Verschuldung weit hinaus und betreffe auch den Privatsektor. Schuldenbremsen sind daher nach Ansicht Kraemers dafür keine alleinige Lösung: Im Prinzip handle es aus Sicht der Ratingagentur nämlich nicht um eine Budgetkrise oder eine öffentliche Schuldenkrise, sondern um eine Krise, die dadurch entstanden sei, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Euro-Länder in den letzten Jahren diametral auseinander bewegt habe. "Durch Schuldenbremsen europaweit lässt sich dieses Problem nicht eindämmen."
Risiken erhöht
Doch insgesamt sieht der S&P-Analyst die Lage offenbar nicht allzu dramatisch: Die Ratings in der Euro-Zone seien im Durchschnitt nach wie vor sehr hoch und dokumentierten eine hohe Kreditwürdigkeit der Euro-Zone. "Dass sich die Risiken in den letzten ein bis zwei Jahren etwas erhöht haben, das steht ja außer Frage." Die Politik müsse allerdings die Bedingungen so gestalten, dass das Vertrauen der Märkte wieder hergestellt wird. Dazu gehörten auch wachstumsfördernde Maßnahmen und solche, die kurzfristig die Finanzierung sichern. Da sehe man relativ wenige neue Initiativen, so Kraemer.