Sorge, dass es bald "zu spät" ist

Israel erwägt Angriff auf Iran

Israel traut dem Iran zu, früher als allgemein angenommen eine Atomwaffe bauen zu können und erwägt deshalb einen Angriff auf iranische Atopmanlagen. Die USA versuchen, Israel zu bremsen, um die Sanktionspläne mit den Vereinten Nationen nicht zu gefährden.

Mittagsjournal, 3.2.2012

Ben Segenreich berichtet aus Israel.

Später oder zu spät?

Israelische Warnungen vor dem Iran hört man seit vielen Jahren, in diesen Tagen hört man sie aber wieder konzentrierter, und vielleicht mit einem neuen Ton und einer neuen Dringlichkeit. Gestern Abend war es etwa Verteidigungsminister Ehud Barak, der aufhorchen ließ: " Heute gibt es im Gegensatz zu früher ein breites Einverständnis in der Welt, dass es unbedingt notwendig ist, zu verhindern, dass der Iran nuklear wird, und dass man keine Option ausschließen darf." Wer in Bezug auf den Iran "später" sagt, fügte Barak hinzu, der werde vielleicht herausfinden, dass es "zu spät" sein werde.

Fenster schließt sich

Viel wird in Israel jetzt darüber spekuliert, dass der Iran noch in diesem Jahr die sogenannte "Immunitätszone" erreichen könnte. Damit ist gemeint, dass ein bedeutender Teil der iranischen Nuklearanlagen in befestigten Stellungen fast 100 Meter unter der Erde sein wird, speziell die Anreicherungszentrifugen in Fordow bei der Stadt Qom - diese Anlagen wären dann gegen Angriffe immun. Die Amerikaner haben stärkere bunkerbrechende Bomben und hätten für einen Militärschlag vielleicht noch bis nächstes Jahr Zeit, heißt es, aber für Israel würde sich das Fenster schon in einigen Monaten schließen.

Iraner weiter als gedacht?

Natürlich, wie weit die Iraner mit ihrem Nuklearprogramm wirklich sind, darüber gibt es nach wie vor kein klares Bild. Der Chef des israelischen militärischen Nachrichtendienstes, Aviv Kochavi, sagte etwa, der Iran habe jetzt schon genug niedrig angereichertes Uran, um daraus in der Folge vier Atombomben zu machen. Es fehle nur noch die politische Entscheidung der iranischen Führung, mit der höheren Anreicherung zu beginnen. In insgesamt zwei bis drei Jahren könnte der Iran dann einen nuklearen Sprengkopf entwickelt haben und ihn auf eine ballistische Rakete montieren.

Zweifel an wirksamem Militärschlag

Natürlich gibt es viele Stimmen in Israel, die von einem Angriff abraten. Der Preis wäre zu hoch – man könnte einen regionalen Krieg entfesseln, heißt es, Israels Städte würden im Raketenhagel liegen, und Israel würde weltweit als Aggressor verurteilt werden. Dazu kommt die Frage nach der militärischen Machbarkeit. Ein Angriff würde das iranische Programm vielleicht bremsen, aber nicht wirklich stoppen, heißt es, und die iranischen Anlagen sind vielleicht jetzt schon zu gut geschützt. Vizepremier Mosche Yaalon, selbst ein früherer Armeechef, gibt sich aber unbeeindruckt: "Aus meiner militärischen Erfahrung weiß ich: jede Befestigung, die von Menschen gebaut wurde, können Menschen auch durchdringen. Also kurz gesagt: es ist möglich, alle diese Anlagen zu zerstören."

Nicht mehr als eine Alarmglocke?

Einem amerikanischen Medienbericht zufolge hält US-Verteidigungsminister Leon Panetta es für wahrscheinlich, dass Israel sogar schon in diesem Frühjahr den Iran angreift. In Israel selbst glauben aber viele, dass die israelische Führung nur besonders laut die Alarmglocke läutet. Die Sanktionen gegen den Iran beginnen anscheinend zu wirken, lautet die Theorie, gerade jetzt solle die Welt dazu bewegt werden, noch härtere Sanktionen zu verhängen, die den Iran auch wirklich zum Einlenken bringen würden.

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