Schulden im bisherigen Musterland

Auch Niederlande in roten Zahlen

Die Niederlande haben sich als besonderer Kritiker der hochverschuldeten EU-Länder in Südeuropa hervorgetan. Umso peinlicher, dass gerade die Regierung jetzt selbst ihr Defizit nicht in den Griff bekommt. Nach derzeitigem Stand werden die Niederlande die EU-Ziele heuer klar verfehlen.

Mittagsjournal, 23.3.2012

Auch die Niederlande brauchen jetzt ein Sparpaket. Die Minderheitsregierung von Liberalen und Christdemokraten steckt in schwierigen Verhandlungen. Sie ist abhängig vom Rechtspopulisten Geert Wilders. Und er will Kürzungen, die seine Anhänger treffen würden, nicht akzeptieren.

Stolz war gestern

Der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager ist in den letzten Monaten stets mit stolz geschwellter Brust zu Krisengesprächen mit seinen EU-Ministerkollegen gefahren. Engere Daumenschrauben für die Krisenländer war seine Botschaft. Angesichts niederländischer Defizite klingt das jetzt defensiver: „Man kann uns nicht mit anderen Ländern vergleichen. Das Vertrauen der Finanzmärkte in die Niederlande ist immer noch sehr hoch“.

Weniger Produktion durch Sparen

Nicht mit anderen vergleichbar, und trotzdem brummt der Wirtschaftsmotor deutlich leiser. Im Verteilungszentrum der Beneluxtochter des österreichischen Laborzulieferers Greiner Bio-One. Wo sonst die Gabelstapler wie im Bienenkorb in der großen Halle kreuzen, ist es heute deutlich ruhiger. Dabei sei letztes Jahr für die Firma noch hervorragend gelaufen, sagt der Chef Martin Zwinkels: „Wir haben die Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich schon kommen sehen. Und wir hatten für heuer wirklich harte Preisverhandlungen. Die Regierungsvorgaben sind 20 Prozent Einsparung in allen Bereichen. Das muss irgendwo hereinkommen“.

Wilders wettert gegen Euro

Die Niederlande stecken seit Ende des Vorjahres in der Rezession. Im Klub der reicheren Euroländer sind sie die einzigen, die heuer mit einem Wirtschaftsrückgang rechnen müssen. Vor allem der Konsum stockt. Die Kaufkraft der niederländischen Löhne geht seit zehn Jahren stetig zurück.

Trotzdem will die Minderheitsregierung von Liberalen und Christdemokraten nach einem bereits beschlossenen Sparpaket ein weiteres schnüren. Gemeinsam mit ihrem Mehrheitsbeschaffer, dem Rechtspopulisten Geert Wilders, verhandelt sie seit drei Wochen. Und will erst etwas sagen, wenn weißer Rauch aufsteigt. Wilders selbst hat die Regierung schon zu Beginn wieder einmal in die Enge getrieben. Statt Unterstützung von pleitegefährdeten Südeuropäern fordert er raus aus dem Euro und zurück zum Gulden: „Es ist wichtig der Transferunion in der Eurozone einen Riegel vorzuschieben und zum Gulden zurückzukehren. Machen wir doch eine Volksabstimmung und schauen, was dabei rauskommt“.

Wähler sind wütend

Auch wenn die Gulden-Forderung in den stark Export-abhängigen Niederlanden nur wenige ernst nehmen, das bisher harte Auftreten gegen die Südeuropäer geht auch auf Wilders und die wachsende EU-Skepsis zurück. Doch jetzt trifft der Sparzwang zu Hause auf den Unwillen der Wähler, weiß die Politologin Sarah Lange von der Universität Amsterdam: "Es hat schon Kürzungen gegeben und die haben voll die Bürger getroffen - nicht die Banken oder Fonds. Die Leute wehren sich jetzt. Sie sehen diese Sparmaßnahmen als von der EU auferlegt, obwohl auch die Regierung für die Einschnitte eintritt".

Kampf ums Triple A

Die Regierung will als eine der letzten in der Eurozone die höchste Kreditwürdigkeit, das Triple A erhalten. Eine Zerreißprobe, denn selbst mit der Unterstützung von Wilders hängt die Mehrheit an einem Abgeordneten. Und von Wilders Partei für die Freiheit ist diese Woche einer abgesprungen. Die Regierung will er nicht stürzen lassen, sagt er. Er weiß aber, dass er sie in der Hand hat.