Chef der Pariser Atomaufsichtsbehörde in Wien
Langsames Lernen aus Fukushima
Lehren aus der Atomkatastrophe in Fukushima werden erst in zehn Jahren sichtbar sein – davon ist der Vorsitzende der französischen Atomsicherheitsbehörde André-Claude Lacoste überzeugt. Für ihn sind auch die alten AKWs weitaus sicherer als die neuen, denn die alten würden auf den neuesten Stand der Technik gebracht.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 29.3.2012
Ein Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima gibt es immer noch Probleme. Man spricht noch immer von zu hoher Strahlung und Pannen im Kühlsystem. Doch der Unfall in Japan hat das Bewusstsein der Betreiber in aller Welt geändert. In Europa wurden die Atomkraftwerke Stresstests unterzogen. In Deutschland hat man beschlossen, aus der Atomkraft auszusteigen, und in Frankreich wurden zusätzliche Sicherheitskontrollen eingeführt. Es wird aber noch mindestens zehn Jahre dauern, bis man alle Lektionen aus Fukushima gelernt hat, sagt der Vorsitzende der französischen Atomsicherheitsbehörde André-Claude Lacoste. Er glaubt nicht, dass Frankreich ältere Atomkraftwerke schließen wird, denn es wurden neue Sicherheitsstandards eingeführt. Diese enthalten bereits die ersten Erkenntnisse aus Fukushima.
Fukushima keine Gefahr mehr
André Claude Lacoste ist weltweit einer der führenden Atomexperten. Im Rahmen der Atombehörde hat er Fukushima bereits im Jahr 2008 kontrolliert. Heute ist er als Vorsitzender der französischen Atombehörde für die Sicherheit der französischen Atomkraftwerke verantwortlich. Was Fukushima betrifft, so ist er überzeugt: Heute, ein Jahr nach der Atomkatastrophe, ist das Atomkraftwerk sicher und unter Kontrolle: Ich gehe davon aus, dass keine Gefahr besteht. Man kann erhöhte Temperaturen, erhöhte Strahlung messen, das ist aber nebensächlich. Heute geht keine Gefahr von dem Kraftwerk aus.
Viele Fragen offen
Er sieht jedoch andere Probleme auf die es noch keine Antworten gibt: Die wirkliche Frage ist die verstrahlte Zone. Eine unglaublich große Fläche. Kann man sich vorstellen, dass die Einwohner zurückkehren, unter welchen Bedingungen. Es wurden auch ganze Gegenden dekontaminiert. Dabei ist verstrahlter Abfall angefallen. Was passiert damit? Es gibt viele Fragen, deren Lösung Jahrzehnte dauern wird.
Welt hat gelernt
Die Welt hat aus Fukushima gelernt, sagt André Claude Lacoste. Es wird aber mindestens zehn Jahre dauern bis wir alles ausgewertet haben, alle unsere Lektionen aus dem Atomunfall gelernt haben. Doch haben wir bereits heute erste Konsequenzen gezogen, sagt der Leiter der französischen Atomsicherheitsbehörde, wir haben Stresstests ausgeführt, wir haben bessere Schutzmaßnahmen verordnet. Es ist uns auch klar geworden, dass wir die Kraftwerke besser gegen äußere Einwirkungen schützen müssen, seien es Tsunamis, Überschwemmungen oder Erdbeben. Es ist auch klar geworden, dass die Betreiber schnelle Eingreiftruppen brauchen werden, die bei Problemen innerhalb kürzester Zeit zum Einsatz bereit sein können. Das ist uns bereits jetzt, nach nur einem Jahr klargeworden.
Maßnahmen in Frankreich
In Frankreich hat er bereits eine Reihe von Maßnahmen angeordnet. So die Schnelle Eingreiftruppe, und das was man einen harten Kern nennt. Eine stärkere Ummantelung und einen zweiten Kontrollraum, einen sogenannten Krisen-Kontrollraum, und ein extra Stromaggregat. Beides in einem Betonbunker: Der Betreiber EDF hat dafür bereits einen Kostenvoranschlag gemacht. Das was wir verlangen, wird zehn Milliarden Euro kosten, eine beträchtliche Summe. André Claude Lacoste meint aber, dass diese Maßnahmen unbedingt umgesetzt werden müssen.
Alte AKW sicherer
Die Gefahr kommt heute nicht mehr von alten Atomkraftwerken, so der Experte weiter. Ein altes Kraftwerk, das immer auf den letzten Stand gebracht wurde, ist viel sicherer als ein neueres, das nie gewartet wurde.
Er ist Realist und meint, dass man bei keinem Atomkraftwerk einen Unfall ausschließen darf. Denn so unwahrscheinlich es auch ist, so kann er dennoch jederzeit eintreten, sagt Lacoste.