WIFO-Chef Karl Aiginger über Wachstumsprogramme

"Griechen brauchen eine Vision"

Nicht mehr nur Sparen, sondern das Wachstum vorantreiben - das ist das Rezept der EU-Staats- und Regierungschefs im Kampf gegen die Schuldenkrise. Im Ö1-Interview erklärt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO), Karl Aiginger, wie Wachstum entstehen und was die EU dazu beitragen kann. Und Griechenland brauche vor allem eine Vision.

Mittagsjournal 25.5.2012

WIFO-Chef Karl Aiginger im Gespräch mit Barbara Krommer

Sparen soll ein Ende haben

Der harte Sparkurs der EU soll bald vorbei sein, jetzt bereiten die Staats- und Regierungschefs ein Wachstumspaket vor. Laut WIFO-Chef Karl Aiginger setzt die Europäischen Union damit den ersten Schritt in die richtige Richtung. Die Mitgliedsstaaten sollen der Konsolidierung ein Ende bereiten, finanzielle Mittel sollen gezielt für Arbeitsplätze und Wachstum eingesetzt werden, sagt Aiginger.

Vision für Griechenland

Damit die Wirtschaft in Griechenland wieder in Schwung kommt, ist es laut Aiginger nötig, die Strukturen der derzeitigen Sparpakete zu ändern. Am wichtigsten sei es, eine Vision zu haben, welche Ziele Griechenland erreichen und wo man nach der Krise stehen will, sagt Aiginger. Neue Firmengründungen seien der erste und wichtigste Schritt, um in Griechenland die Wirtschaft voranzutreiben, so der WIFO-Chef. Denn nur so könnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem für die Jugend, so Aiginger.

Investitionen in Kleinunternehmen

Um in Griechenland das Wachstum zu beschleunigen, ist es laut Aiginger vor allem notwendig, in kleine Betriebe zu investieren, anstatt Großprojekte zu unterstützen. Es lägen jetzt schon finanzielle Mittel für Griechenland bereit, die teilweise nicht ganz ausgeschöpft werden, sagt Aiginger. Vor allem die europäische Investitionsbank sollte griechische Kleinunternehmern unter die Arme greifen.

Arbeitsplätze im Umwelt- und Industriesektor

Potenzial für die griechische Wirtschaft sieht Aiginger einerseits im Umweltsektor und dem Ausbau von Solartechnologie, andererseits sollten die Häfen des Landes besser genützt werden. Dort sollen laut Aiginger Industriezonen gebaut werden. Außerdem sei es vor allem wichtig, Straßenbauprojekte mit dem Aufbau von Unternehmenszentren zu verbinden, um die Arbeitslosigkeit zu verringern, so WIFO-Chef Aiginger.

Ausstieg keine gute Lösung

Einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone sieht Aiginger skeptisch. Die Mehrheit der Griechen sei ohnehin dagegen, sagt der WIFO-Chef. Die Rolle der EU ist, laut Aiginger, eine Vision der Griechen über die Zukunft ihres Landes zu unterstützen. Schnelle Lösungen gebe es nicht, auch auf die Gesamtwirtschaft werden sich diese Maßnahmen nicht schnell auswirken. Es habe derzeit aber Priorität Arbeitsplätze zu schaffen und den Rückgang der Wirtschaft zu stoppen. Die Kosten für diese Ziele sind laut Aiginger auch nicht allzu groß: Blockaden von Betriebsgründungen müssen aufgehoben werden, das Steuer- und Verwaltungssystem es Landes müsse umstrukturiert werden und das koste alles nicht viel Geld, so Aiginger. Aber nicht nur bei Griechenland liegt es, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Laut Aiginger sollen dazu auch die EU-Länder beitragen, beispielsweise mit verstärkten Transfers nach Griechenland.

Österreich soll investieren

Laut Aiginger habe Österreich mehr von der EU-Erweiterung profitiert als viele andere Länder. Jetzt sei es an der Zeit gegenüber Griechenland Solidarität zu zeigen. Ob Österreich sich für ein Wirtschaftswachstum in Griechenland einsetzt oder nicht, Geld muss Österreich so oder so investieren, sagt der WIFO-Chef. Denn am Wichtigsten für Österreich sei es, einen Einbruch seiner Exporte zu verhindern, erklärt Aiginger.