Spanien: Krise und Fußball

8. April 2017, 21:58

Pessimismus überwiegt

Das staatliche Statistische Amt erfasst in regelmäßigen Abständen die Stimmungslage der Bevölkerung. Die letzte Erhebung spiegelt ein pessimistisches Bild: 90 Prozent der Befragten sprechen von schlechten oder sehr schlechten Zukunftsaussichten und nennen Arbeitslosigkeit, Finanzkrise und Rezession als größte Probleme. Noch nie, so die Verfasser der Untersuchung, war die Zukunftsangst in Spanien so groß, wie im Umfragemonat Mai. Gerüchte um das Hilfegesuch an die EU werden den vorherrschenden Pessimismus zur Rettung der spanischen Banken bestärken den vorherrschenden Pessimismus.

Alle Hoffnung in der EM

In einer weniger methodischen Umfrage unter den Lesern der Sport-Tageszeitung Marca ergibt sich hingegen ein deutlich freundlicheres Bild: Auf die Frage nach dem Favoriten für die Fußball-EM zeigen sich die Fans optimistisch: 47,9 Prozent tippen auf Titelverteidiger Spanien als Sieger der gestern gestarteten Europameisterschaft. Der Fußballfan und Kunsthistoriker Miguel Falomir: „Alles, was von den Alltagsproblemen ablenken kann, ist willkommen. Der Fußball erfüllt eine ähnliche Rolle spielt wie die Zirkusspiele bei den Römern.“

Einer der bekanntesten Fußballer der Welt, der bei Real Madrid werkende Portugiese Cristiano Ronaldo sieht Spanien und Portugal weit vorne. „Hätte ich einen Koffer mit Geld übrig“, sagte der 27-Jährige in einem Anflug von Selbstbescheidung, „würde ich alles auf ein Finale Portugal-Spanien setzen“.

Mehr als ein Sieg nötig

Sollte sich Ronaldos Vorhersage erfüllen, würde eine solche Finalpaarung als Trostspender in den beiden Nachbarländern empfunden werden: Portugal, das vor über einem Jahr unter dem Euro-Rettungsschirm Zuflucht suchte, leidet bereits an den Sparpaketen der Troika; Spanien könnte bald ein ähnliches Schicksal blühen.

Der Wirtschaftsprofessor Federico Steinberg: „Äußere Gegebenheiten können die Wirtschaftserwartungen beeinflussen. Aber selbst wenn Spanien die EM gewinnen sollte, glaube ich nicht, dass sich am Ausmaß der aktuellen Krise etwas ändern wird. Wir brauchen mehr Europa, mehr Integration und dass der Euro glaubwürdig ist – und das geht weit über den Fußball hinaus.“

Wirtschaft in Erwartung

Auf ein gutes Abschneiden bei der EM hoffen vor allem Gastgewerbe und Werbewirtschaft. Der Weg ins Finale würde ihnen Umsatzzuwächse garantieren. Eines der in Madrid kursierenden Gerüchte besagt, dass Premier Mariano Rajoy den ersten Sieg der Nationalelf abwarten will, um den Bürgern die bittere Pille des Bankenrettungsschirms zu präsentieren. Spanien spielt Sonntag Abend gegen Italien.