Nationalrat streitet über Euro-Rettungsschirm

Im Nationalrat ist es zu einem Riesenwirbel um den Euro-Rettungsschirm ESM gekommen. SPÖ, ÖVP und die Grünen hatten einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt in Sachen ESM beantragt und durchgesetzt. FPÖ und BZÖ haben wegen des Streits über den Europäischen Rettungsschirm das Plenum verlassen. Das Bildungsvolksbegehren, das am Vormittag behandelt worden war, geriet somit in den Hintergrund.

Mittagsjournal, 14.6.2012

Scharfe Kritik von FPÖ und BZÖ

Die Regierungsfraktionen haben diesen zusätzlichen Tagesordnungspunkt gemeinsam mit den Grünen eingefügt, weil sie nach eigenen Angaben gewährleisten wollen, dass das österreichische Parlament in Zukunft ausreichend Mitspracherechte bei Österreichs Mitwirken am europäischen Finanz-Rettungsschirm ESM bekommt.

FPÖ und BZÖ kritisieren, dass es zu wenig Zeit für ausreichende Debatten gebe. Die beiden Oppositionsparteien vermuten gar, dass da vor der Sommerpause etwas "durchgepeitscht" werden soll. BZÖ-Chef Josef Bucher findet das Vorgehen "skandalös". Der FPÖ-Abgeordnete Norbert Hofer fragte sich in seiner Rede, was die Grünen von der Regierung bekommen haben mögen, damit sie in dieser Frage "die Räuberleiter machen".

Van der Bellen wirft FPÖ und BZÖ Anti-Parlamentarismus vor

ÖVP-Klubobmann Karl-Heinz Kopf wehrte sich: "Von einem Überfall kann hier überhaupt keine Rede sein. Sie versuchen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen." Die Mitwirkungsrechte des Parlaments stärken zu wollen, sei höchst demokratisch, fand auch SPÖ-Klubobmann Josef Cap und wunderte sich im Gegenzug eher über die Haltung von Blau und Orange.

Der grüne Abgeordnete Alexander van der Bellen äußerte die Meinung, FPÖ und BZÖ seien anti-parlamentarisch, denn der Vorschlag von Regierung und Grünen sei Parlamentarismus. FPÖ und BZÖ würden genau das Gegenteil davon machen.

Bildungsdebatte war Volksbegehrensdebatte

BZÖ und Freiheitliche zogen dann aus dem Plenarsaal des Parlaments aus. Die Freiheitlichen kehrten wenige Minuten später zur nunmehr angelaufenen Bildungsdebatte wieder zurück. Das BZÖ hingegen ließ alle seine Redner zum Thema Bildung von der Liste streichen und blieb fern.

In der Bildungsdebatte wurde weniger über Bildung diskutiert, sondern - vor dem Hintergrund der seit Wochen laufenden innenpolitischen Debatte um mehr direkte Demokratie - vielmehr über Volksbegehren. ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon hob die Behandlung des Bildungsvolksbegehrens in einem eigenen Ausschuss hervor. Man habe hier neue Standards im Umgang mit einem Volksbegehren gesetzt. Der freiheitliche Bildungssprecher Walter Rosenkranz sah die eigene Forderung nach verpflichtenden Volksabstimmungen nach Volksbegehren belegt.

Der Grüne Harald Walser hingegen sah die Forderungen, etwa nach einer gemeinsamen Schule der bis zu 14-Jährigen, weit entfernt von einer Umsetzung. Er versprach, die Grünen würden dafür sorgen , dass das Thema Bildung weiter auf der Tagesordnung des Parlaments bleibe.

Androsch enttäuscht: "Schwarzer Tag"

380.000 Stimmbürger hatten mit diesem Volksbegehren einiges verlangt, 26 Abgeordnete diskutierten darüber in einem Sonderausschuss. Es ging um Bildungsreformen aller Art: Frühförderung, Kinderbetreuung, Ganztagsschulen und vieles mehr. Herausgekommen sei allerdings nichts an konkreten Gesetzesanträgen, resümierte Donnerstagvormittag der enttäuschte Initiator des Bildungsvolksbegehrens, Hannes Androsch, als Besucher auf der Galerie des Nationalratssitzungssaals.

Der ehemalige SPÖ-Minister und nunmehr Industrielle gibt den Lehrergewerkschaften und den Bundesländern die Schuld an diesem, wie er findet, Stillstand. Die Initiatoren seien sehr enttäuscht, dass kein einziges konkretes Ergebnis beschlossen worden sei. "Außenstehende Einflüsse" hinderten die Abgeordneten, das zu beschließen, was sie selber beschließen wollen.

Androsch sieht die Sitzung des Nationalrats als "Schwarzen Tag", nicht nur für die Bildung, sondern für den Parlamentarismus. Er mache "die sich überhäufenden Vorschläge für direkte Demokratie zu einer lächerlichen Heuchelei".