Zwangsanleihe für reiche Deutsche?

Wer Vermögenswerte besitzt, der sollte dem Staat zwangsweise zehn Prozent davon leihen müssen, lautet sinngemäß der Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Bekämpfung der Schuldenkrise. Mit Zwangsanleihen haben schon im Mittelalter Herrscher ihre Kriege finanziert, ob auch das Abenteuer Euro eine solche Anleihe rechtfertigt, darüber wird in Deutschland heftig debattiert.

Mittagsjournal, 12.7.2012

Tribut der Wohlhabenden

Als Klassenkämpfer tun sich die Leute vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung normalerweise nicht hervor. Aber genau in dieser Ecke werden sie nun von vielen verortet, seit sie eine neue Variante zur Sanierung maroder Staatsfinanzen ins Spiel gebracht haben. In der Zeitung "Die Welt" rechnet Gert Wagner, der Chef des Instituts, vor, dass die Zuwächse, die es bei privaten Vermögen in den letzten 15 Jahren gegeben hat, vor allem auf die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung entfallen sind. Daher der Vorschlag, von den Wohlhabenden eine Art Tribut einzufordern. Sein Mitarbeiter Stefan Bach spricht schon konkret von einer Vermögensabgabe: "Der Staat muss einfach Prioritäten setzen. Und vor dem Hintergrund gesunkener Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen würde das Instrument der Vermögensabgabe durchaus in die Zeit passen, um auch die wohlhabenderen Kreise der Bevölkerung etwas stärker in die Saatsfinanzierung einzubeziehen."

Erholung oder Geld weg

Konkret als Beispiel durchgerechnet wurde das Instrument einer Zwangsanleihe - sprich: Jeder, der Vermögenswerte von mehr als 250.000 Euro besitzt, sollte gezwungen werden, dem Staat über einige Jahre verteilt zehn Prozent seines darüber liegenden Vermögens als Anleihe zur Verfügung zu stellen. Sollten sich Staat und Wirtschaft danach bald erholen, könnte das Geld wieder zurückgezahlt werden, sollte die Lage misslich bleiben, dann wäre das Geld weg.

Schlechter Ruf

Nun haben Zwangsanleihen gerade in Deutschland einen schlechten Ruf. Sie wurden nach dem ersten Weltkrieg eingehoben, um Kriegsschulden zu finanzieren. Aus der versprochenen Rückzahlung wurde so gut wie nichts, weil die Inflation dazwischen kam. Entsprechend vorsichtig reagiert die Politik.

Praktische Hürden

Der Sprecher des deutschen Finanzministeriums betont, Deutschland hätte mit seinen Steuereinnahmen derzeit keine Probleme, die Zwangsanleihe sei eine Möglichkeit, aber eine, die sich eher Länder überlegen sollten, die tiefer im Krisensumpf stecken. Italien, Spanien oder Griechenland könnten den Weg beschreiten, die Reicheren per Zwangsbeitrag zur Kasse zu bitten. Aber einfach wird die Sache nicht. Geldvermögen lässt sich rasch ins Ausland bringen, und wer Immobilienbesitz besteuern will, der stößt in etwa in Griechenland auf eine hohe praktische Hürde. Dort sind nämlich gerade einmal sechs Prozent der Landesfläche überhaupt in einem Grundbuch erfasst.