Offene Ermittlungen gegen Strasser
Die Anklage der Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Bestechlichkeit könnte nicht das einzige Ungemach sein, das dem ehemaligen Innenminister und EU-Abgeordneten der ÖVP, Ernst Strasser, blüht: Weitere Ermittlungen laufen im Zusammenhang mit der Tetron-Behördenfunk-Affäre sowie seitens der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde und der Finanz.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 10.8.2012
Honorare über Strohmann
Beraterhonorare von 560.000 Euro soll Ex-Innenminister Ernst Strasser nicht ordnungsgemäß versteuert haben. Nach dem Auffliegen der Lobbying-Affäre hat er auch vorsorglich Selbstanzeige erstattet, haben "Der Standard" und "Profil" vor Monaten berichtet. Dennoch gebe es Ermittlungen der Finanzbehörden. Der Ex-Innenminister habe Honorarzahlungen über eine durch einen Strohmann errichtete Firma laufen lassen. Geschäftsführer soll ein mit Strasser befreundeter Steuerberater gewesen sein, faktischer Geschäftsführer aber Strasser - so dass er die Einkünfte hätte versteuern müssen. Vom Finanzministerium und vom Finanzamt Hollabrunn war gestern keine Antwort auf die Frage zu bekommen, in welchem Stadium sich die Finanzermittlungen befinden. Man würde gerne Auskunft geben, hieß es, aus rechtlichen Gründen dürfe man das aber nicht.
Auch OLAF tätig
Die EU-interne Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF hingegen bestätigt: Es wird nach wie vor gegen Strasser ermittelt. Olaf-Sprecher Johan Wullt sagt: "Die Ermittlungen gehen ihrem Ende zu, sind aber noch nicht finalisiert." Anlass für die Ermittlungen waren die Videos, veröffentlicht von Sunday Times Journalisten, die sich als Lobbyisten ausgegeben hatten. Vier EU-Abgeordnete waren betroffen. In drei Fällen sind die Ermittlungen abgeschlossen. Einen spanischen Abgeordneten betreffend wurden keine weiteren Schritte unternommen, einen slowenischen und einen rumänischen Abgeordneten betreffend hat Olaf Ermittlungen in den Heimatländern empfohlen. Denn generell gilt: "Wenn sich Vorwürfe bestätigen, dann können wir Sachverhaltsdarstellungen an Strafverfolgungsbehörden in EU-Staaten schicken. Die zweite Variante ist eine Anregung von Disziplinarmaßnahmen durch EU-Einrichtungen."
Aber ob die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde im Fall Strasser inhaltlich mehr zu Tage gebracht hat als die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien ist fraglich. Das EU-Parlamentspräsidium hatte geplante Olaf-Hausdurchsuchungen im EU-Parlament verhindert. Erst mit Verspätung und nach richterlicher Genehmigung konnte dann die Korruptionsstaatsanwaltschaft Durchsuchungen und Beschlagnahmungen vornehmen.
Ermittlungen um Behördenfunkvergabe
Ernst Strassers Zeit als Innenminister in Österreich betreffen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien zur Neuvergabe des Behördenfunknetz-Auftrags im Jahr 2003. Dass der ÖVP-nahe Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly in diesem Zusammenhang lobbyiert und Jagden veranstaltet hat, gilt als erwiesen. Auch sollen fast vier Millionen Euro von den Konzernen Motorola, Alcatel und Telekom für sogenanntes Lobbying geflossen sein. Ob aber Ernst Strasser - womöglich auch über das Investmenthaus Vienna Capital Partners - finanziell profitiert hat, ist nicht erwiesen. Derzeit führt die Staatsanwaltschaft Strasser in der Tetron-Causa nicht als Beschuldigten, weil es dafür keinen ausreichenden Verdacht gebe. Strassers Anwalt war bisher übrigens nicht für eine Stellungnahme noch offenen Ermittlungen zu erreichen.