Vor Urteil gegen Pussy Riot
In Moskau wird heute das Urteil im Prozess gegen die Punk-Band Pussy Riot erwartet. Wegen des Absingens eines Putin-kritischen Auftrittes in der wichtigsten Kirche des Landes hat die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft für die jungen Frauen gefordert. Ausländische Beobachter haben den Prozess als politisch motiviert bezeichnet, und in vielen Ländern der Welt sind heute Solidaritätsaktionen geplant.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 17.8.2012
"Urteil im Kreml geschrieben"
"Oh Gottesmutter, schmeiß den Putin raus" - als fünf junge Frauen im Februar in bunten Gewändern und Skimasken dieses Lied auf dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale singen, ahnt niemand, dass daraus die wichtigste und umstrittenste innenpolitische Frage Russlands wird. Drei der jungen Frauen wurden kurz nach dem Auftritt festgenommen, nachdem der Sprecher von Wladimir Putin ausrichten ließ, dem Präsidenten persönlich habe dieser Auftritt nicht gefallen. Seit damals sind die Frauen in Untersuchungshaft. Der letzte Prozesstag war vor eineinhalb Wochen - die lange Frist bis zur Urteilsverkündung sei mehr als eigenartig, sagt Pussy-Riot-Anwalt Mark Feigin: "Erst wird der Prozess in großer Eile durchgepeitscht - so schnell, dass wir nicht einmal mit unseren Mandantinnen reden können. Dann dauert es bis zum Urteil zwei Wochen - ein weiterer Beweis, dass das Urteil nicht im Gericht geschrieben wird, sondern im Kreml."
Zu Volkshelden gemacht
Aus der ganzen Welt hagelt es Kritik an dem Prozess, Amnesty International erklärt die drei Frauen zu politischen Gefangenen. Viele ausländische Musiker solidarisieren sich mit der Band, zuletzt gestern der Ex-Beatle Paul McCartney. Popstar Madonna sorgt für einen Skandal als sie bei ihrem Moskauer Konzert die Freilassung der Frauen fordert und vom russischen Vizepremier dafür als Hure beschimpft wird. Die Obrigkeit habe den Fall klar unterschätzt, sagt Politikwissenschaftler Alexej Malashenko vom Carnegie-Center in Moskau: "In einer normalen Gesellschaft wäre so etwas gar nicht weiter aufgefallen. Faktisch hat die Obrigkeit aus diesen unbekannten Mädchen, deren Aktion ich gar nicht kommentieren will, ein Art Volkshelden gemacht."
Schaden für Kirche
Den größten Schaden wird, ist Malashenko überzeugt, die russisch-orthodoxe Kirche davontragen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatte sie sich gerade so etwas wie den Status einer moralischen Autorität erworben. Der Prozess habe aber die extrem enge Verbindung zwischen Staatsführung und Kirchenführung aufgezeigt, die Vertrauenswerte in die Kirche seien seit Prozessbeginn deutlich gefallen und immer wieder kommt es zu Protestaktionen in und vor Kirchen, zuletzt gestern in Moskau und am Dienstag sogar in der russisch-orthodoxen Kirche in Wien. Malashenko: "Unsere Obrigkeit ist ziemlich dumm, sie versteht nicht, dass sie sich mit dieser Angelegenheit selbst schadet. Wenn unser beleidigter Präsident die ganze staatliche Macht, die Gerichte, gegen ein paar Mädchen einsetzt ,fangen Sie an einem Leid zu tun. Es zeigt wie schwach unsere Führung ist", sagt Politikwissenschaftler Malashenko. In der ganzen Welt sind heute Solidaritätskundgebungen mit Pussy Riot geplant, das Urteil soll am frühen Nachmittag bekannt gegeben werden.