Chinas Probleme mit faulen Krediten

China hat sich zu Ankurbelung der Wirtschaft vor drei Jahren ein riesiges Konjunkturpaket verordnet. Heute sitzen allerdings die Banken auf einem Berg fauler Kredite.

Mittagsjournal, 15.9.2012

Aus Peking,

Man hat schnell reagiert in China. Zum Höhepunkt der Finanzkrise vor 3 Jahren hat die Führung ein gigantisches Konjunkturpaket verabschiedet. Damit konnte China einen nachhaltigen Einbruch des hohen Wachstums verhindern. Die Banken mussten auf Geheiß des Staates den künstlichen Boom finanzieren. Und sitzen jetzt auf einem Berg an Krediten. Wie hoch der genaue Anteil an faulen Krediten ist weiß niemand genau. Die Ratingagentur Standard and Poor’s glaubt aber, dass Chinas Banken einem beachtlichen Kreditrisiko ausgesetzt sind

Veröffentlichen die großen chinesischen Staatsbanken ihre Ergebnisse dann ist Staunen angesagt. ICBC, gemessen an der Bilanzsumme und dem Profit, nicht nur die größte Bank Chinas, sondern auch der Welt hat allein im ersten Halbjahr mehr als 19 Milliarden Dollar verdient. Vier der fünf profitabelsten Banken weltweit sind chinesisch und konnten 2011 einen gemeinsamen Profit von rund 130 Milliarden Dollar verbuchen. Trotzdem wird die Finanzbranche des Landes immer nervöser.

Der Grund: ein rasanter Anstieg des Schuldenstandes bei privaten Unternehmen sowie Provinz- und Stadtregierungen. Letztere dürfen eigentlich gar keine Schulden aufnehmen und haben deshalb halblegale Finanzvehikel gegründet, die sich an ihrer Stelle massiv verschuldet haben, um gigantische Infrastruktur- oder auch Immobilienprojekte zu finanzieren. Alles im Namen des hohen Wirtschaftswachstums, das von der Zentralregierung eindeutig gewünscht war. Viele dieser Projekte scheinen aber zu floppen: Die Verschuldung in China nimmt rasant zu. Seit mindestens einem Jahrzehnt hat China Investitionen nicht mehr richtig verteilt“ meint Michael Pettis, Finanzwissenschafter an der Universität Peking. Die Investitionen hätten zwar die wirtschaftliche Aktivität angekurbelt, aber mehr Schulden als Profit und Reichtum generiert. Eine problematische Entwicklung, die sich nicht aufrechthalten ließe.“

Ein von der Regierung in Auftrag gegebener Bericht beziffert die Verschuldung der Provinzen und Gemeinden mit mittlerweile deutlich über einer Billion Euro. Schätzungen zufolge könnte bis zu einem Drittel davon uneinbringlich sein. Dazu kommt, dass kleine und mittlere Betriebe aufgrund der schwächelnden Exportmärkte in Europa und den USA zunehmend in ernste Zahlungsschwierigkeiten geraten. Chinas Banken mussten auf Geheiß der obersten Führer den ganzen Boom jedenfalls finanzieren und sitzen möglicherweise auf einem Berg an faulen Krediten, dessen Höhe derzeit aber niemand genau abschätzen kann. Finanzexperte Michael Pettis: „Der Bankensektor ist weniger liquid als früher. Ein Grund dafür ist der Kapitalabfluss aus China, den wir beobachten können. Ein weiterer Grund ist aber auch, dass Kredite nicht zurückgezahlt werden können. Das Problem wird in den Bilanzen oft verwischt, Darlehen werden einfach nicht fällig gestellt.“

Viele Großkredite in China sind außerdem mit Land besichert. Sinkt der Wert von Grund und Boden, und es gibt Anzeichen dafür nachdem die Immobilienpreise jahrelang sich nur nach oben bewegt haben, dann würde das Volume an faulen Krediten sprunghaft ansteigen. Es ist nichts Neues in Chinas Bankensektor. Können Probleme nicht gelöst werden, dann werden sie zuerst ignoriert und vertagt. Das hat mehrmals in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Staat letztlich mit enormen Kapitalspritzen eine Flurbereinigung durchführen musste. Und so wird es wohl auch dieses Mal sein. Optimisten und Pessimisten sind sich in einem Punkt einig: zumindest eine weitere Bankenrettungsrunde kann sich der chinesische Staat ziemlich sicher leisten.