Exportmarkt schwächelt

Euro-Krise: Wachsende Sorge in China

Auch Chinas Wirtschaft leidet unter der Eurokrise. In Peking herrscht zunehmend Beunruhigung. Im mächtigen chinesischen Staatsfonds rechnet man mittlerweile offen damit, dass die Eurozone - Chinas wichtigster Absatzmarkt - auseinanderbrechen könnte.

Mittagsjournal, 12.6.2012

Pessimistische Worte

Lou Jiwei ist Herr über mehr als 400 Milliarden Dollar. So viel Geld verwaltet die China Investment Corporation, Chinas mächtiger Staatsfonds. Herr Lou gibt sich gegenüber den Medien stets zugeknöpft, Journalistenanfragen werden meist ignoriert oder höflich abgelehnt. Und so sorgen seine jetzigen Aussagen gegenüber einem Reporter des Wall Street Journals für Aufsehen. Sein Fonds habe das Engagement in europäischen Aktien und Anleihen zurückgefahren, sagt Herr Lou. Und er meint, dass die Risiken eines Auseinanderbrechens der Eurozone ständig steigen. Auch wenn Europa Eurozonen-Anleihen, sprich die viel diskutierten Eurobonds einführen würde, selbst dann würde man darin wohl nicht investieren.

Die Worte von Lou Jiwei sind die bislang pessimistischsten eines hochrangigen chinesischen Vertreters zur Schuldenkrise in Europa. Und auch wenn der Staatsfonds nur einen Teil der gigantischen Währungsreserven verwaltet und die chinesische Nationalbank weiter in europäische Anleihen investieren will - man spürt die wachsende Bestürzung in Peking über die Krise in Europa, die man dort nicht und nicht in den Griff bekommt.

Lahmende Schwungräder

"Die wirtschaftlichen Probleme in Europa haben längst einen negativen Effekt auf die gesamte Weltwirtschaft und auf Schwellenländer wie China", sagt Cui Tiankai, der stellvertretende chinesische Außenminister. China kämpft gegen eine Abkühlung der eigenen Konjunktur. Zwar ist das Wachstum weiterhin robust, doch mit derzeit etwa acht Prozent deutlich langsamer als in den vergangenen Jahren. Auch konnte man im Mai die Exporte deutlich steigern, doch dürfte dieser Trend kaum anhalten, meinen Analysten. Schon gar nicht wenn es mit der Eurozone, dem wichtigsten Exportmarkt Chinas, weiterhin bergab geht. Und auch die OECD, der Club der reichen Industrieländer, hatte erst gestern davor gewarnt, dass die größten Schwellenländer China und Indien als Schwungräder für die schwächelnde Weltwirtschaft ausfallen könnten.

Neuausrichtung nötig?

In Peking scheint man trotzdem bereit, Geld für diverse Rettungsfonds im Rahmen des Internationalen Währungsfonds locker zu machen. Wie viel sagt man nicht. Klar ist jedoch, dass sich China für eine größere finanzielle Beteiligung im IWF mehr Mitsprache, sprich Stimmrechte, erwartet. Die Krise in den wichtigsten westlichen Absatzmärkten Chinas verstärkt hierzulande die Stimmen jener, die eine Neuausrichtung des chinesischen Wirtschaftsmodells fordern, das zu einseitig auf Exporten und staatlichen Investitionen beruht und zu wenig auf Konsum und Nachfrage zuhause. Nur wenn diese Neuausrichtung gelingt, ließen sich die hohen Wachstumsraten Chinas auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten, sagen Ökonomen. Und so könnte die Krise in Europa längst überfällige Reformen in Chinas Wirtschaftsmodell durchaus beschleunigen.