Weißrussland: Lukaschenko lässt wählen

In Weißrussland finden am Sonntag Parlamentswahlen statt oder genauer gesagt, das was sich das Regime von Alexander Lukaschenko unter Wahlen vorstellt. Die wichtigsten Oppositionsparteien haben bereits angekündigt an dieser Imitation von Demokratie nicht teilnehmen zu wollen, das Land steckt tief in einer politischen und wirtschaftlichen Stagnation

Mittagsjournal, 22.9.2012

Aus Minsk,

Einladung zum Wahlbetrug

Es sind Wahlen aber keiner geht hin - so laufen die Parlamentswahlen in Weißrussland ab. Die ersten Wahllokale haben bereits am Mittwoch geöffnet - und hier setzt auch die Kritik unabhängiger Beobachter ein: Die Wahlurnen würden in diesen Wahllokalen tagelang unbewacht herumstehen - eine Einladung zum Wahlbetrug.

Aber dass die Wahlen frei und fair sein könnten glaubt sowieso niemand, erklärt Jurij Dschibladse vom internationalen Komitee zur Beobachtung der Menschenrechte in Weißrussland: Es wäre eine Illusion zu glauben, dass sich der politische Raum irgendwie öffnet. Die Oppositionsparteien, die sich trotz allem entschlossen haben an der Wahl teilzunehmen, tun das nur umso mit der Bevölkerung in Kontakt kommen zu können und zu zeigen dass sie noch existieren. Aber das was hier stattfindet sind nicht Wahlen sondern eine weitere Konsolidierung des herrschenden Regimes.

Repression nach letzter Wahl

Nach den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 kam es in Weißrussland erst zu Demonstrationen und dann zu einer massiven Repressionswelle. Hunderte Oppositionelle wurden verhaftet, mindestens 14 von ihnen sitzen nach wie vor im Gefängnis. Geändert hat sich dadurch nichts, auf jeden Fall nicht zum Besseren - deshalb sei der jetzige Urnengang auch kein Anlass für neue Proteste, meint Dschibladse. Die beiden größten Oppositionsparteien treten gar nicht erst an - Wahlveranstaltungen wurden immer wieder gestört, Aktivisten und Teilnehmer verhaftet und verprügelt, Mitarbeiter ausländischer Medien vorübergehend festgenommen, mehreren Korrespondenten die Einreise überhaupt verweigert, etwa des ZDF oder der Deutschen Welle.

Auch Wahlbeobachter wie die deutsche Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck dürften gar nicht erst einreisen. Die EU hat nach der Niederschlagung der Proteste Sanktionen gegen das Regime von Präsident Alexander Lukaschenko verhängt, unter anderem eine Einreisesperre für hohe Vertreter des Regimes - diese Sanktionen seien allerdings zahnlos und gescheitert, kritisiert Jurij Schibladse: Ganz wichtig wäre eine langfristige Strategie, eine Art Roadmap. Man kann nicht ernsthaft die Durchführung freier Wahlen und die Freilassung der politischen Gefangenen fordern wenn das System weiterbesteht, es keine unabhängige Justiz, keinen Rechtsstaat gibt. Diese Forderungen sind naiv und erlauben Lukaschenko seine politischen Spiele fortzusetzen.

EU wäre gefordert

Denn Lukaschenko hat zuletzt wieder damit begonnen, was er am besten kann: Die EU gegen Russland und Russland gegen die EU auszuspielen. Aus Angst, Weißrussland könnte sich gänzlich dem großen Bruder Russland zuwenden, hat die EU keine wirklichen Wirtschaftssanktionen verhängt, wie manche Mitgliedsstaaten gefordert hatten. Doch Russland ist dabei Lukaschenko einen Strich durch die Rechnung zu machen: Das Regime finanziert sich vor allem dadurch, dass es Öl billig aus Russland importiert, in den Raffinerien weiterverarbeitet und dann teuer in die EU weiterverkauft. Das hat Moskau seit dem Sommer unterbunden und dem Regime in Minsk gehen bereits wieder die Gelder aus - so wie letzten Sommer, als der Staat praktisch bankrott war und eine Hyperinflation einsetzte. Dadurch gerate das Regime weiter unter Druck: Die politische Situation ist nicht einfach schlecht sondern sie wird systematisch schlechter und je näher wir zu den Wahlen kommen desto mehr werden die Schrauben angezogen.

Wichtig sei es dass die EU auch wirtschaftlich Druck ausübe, fordert Jurij Dschibladse vom internationalen Komitee zur Beobachtung der Menschenrechte in Weißrussland. Das betrifft auch Österreich. Nach weißrussischen Angaben ist Österreich der zweitgrößte Auslandsinvestor, der Telekom gehört der zweitgrößte Handynetzbetreiber und die Geschäfte mit dem Ausland werden vor allem über das größte private Geldinstitut des Landes, Priorbank, abgewickelt, einer Tochterbank von Raiffeisen International.