China: Reformdruck immer größer

Chinas Wirtschaft kämpft mit Strukturproblemen einer Staatswirtschaft, die von staatlichen Betrieben dominiert wird. Sie ist zu stark exportabhängig, die Löhne steigen, der Inlandskonsum ist gering. Und so sind Chinas künftige Führer gefordert, tiefgreifende Reformen durchzuführen. Nach dem am Donnerstag beginnenden Parteitag warten schwierige Aufgaben auf die neue Führergeneration.

Mittagsjournal, 5.11.2012

Weniger, aber besser?

In der Textilfirma von Herrn Zheng arbeiten 800 Mitarbeiter. Man stellt Anzüge her. Die Hälfte geht in den Export nach Europa. Vor allem nach England, Frankreich und Deutschland. So schlecht sind die Aufträge, dass Herr Zheng ganze Produktionsstraßen schließen musste. Und bereits 200 Arbeiter entlassen hat. "Die Aufträge aus dem Ausland, vor allem aus Europa, sind um 30 Prozent eingebrochen. Wir machen keine Gewinne mehr. Die Löhne und damit auch die Kosten steigen. Wir müssen umdenken, weniger produzieren und dafür aber auf höhere Qualität setzen."

China dürfe jetzt nicht wie andere Länder in der Falle der mittleren Einkommen steckenbleiben, warnt die Weltbank. Sie meint damit, dass ein Land nach Erreichen eines mittleren Einkommensniveaus die Vorteile als Billigproduzent verliert. Genau das passiert in China derzeit aufgrund von Lohnsteigerungen, die im Jahr 20 Prozent und mehr ausmachen.

Reformdruck steigt

Und so müssten viele Firmen dringend in Knowhow und Innovationen investieren. Doch ist dies für Privatunternehmen in China schwierig, weil die staatlichen Banken Kredite lieber an große Staatskonzerne vergeben, die von der kommunistischen Partei gefördert werden. Dazu kommt, dass China an sich viel zu stark von Exporten abhängig ist, also von Ländern, die sich derzeit wie Europa und die USA in der Krise befinden. Außerdem können nur massive staatliche Investitionen die hohen Wachstumsraten garantieren, und die Bevölkerung konsumiert viel zu wenig. Chinas Wirtschaft steht an einem Wendepunkt, ist aber weit von einem neuen Wachstumsmodell entfernt. Reformen seien dringend notwendig, sagt der Ökonom Feng Xingyuan: "Wir brauchen sowohl politische als auch wirtschaftliche Reformen. Kernpunkt einer Wirtschaftsreform sind politische Entscheidungen. Die Staatsunternehmen müssen aufgebrochen werden, wir brauchen eine Reform der Staatsbanken, Monopole müssen fallen, die Verwaltung schlanker werden. Es ist nicht unbedingt eine Frage der Wirtschaft, sondern auch des politischen Willens."

Macht und Big Business

Und der politischen Wille ist nicht bei allen vorhanden. So steht etwa das staatlich kontrollierte Finanzsystem unter dem wachsenden Einfluss von Interessensgruppen, die bei echten Reformen nur verlieren würden und sich deswegen wohl dagegen stemmen werden. Dass jüngst in einem Bericht der New York Times detailliert dargelegt wurde, dass sich etwa die Familie von Premier Wen Jiabao während dessen Amtszeit massiv bereichert hat, zeigt nur, wie eng die Verbindungen zwischen politischer Macht und Big Business in China geworden sind. Mit den zweistelligen Wachstumsraten dürfte es jedenfalls ohnehin vorbei sein. Ökonomen streiten nur, wo sich Chinas Wachstum einpendeln wird. Bei sechs bis acht Prozent, meinen die meisten. Manche glauben, dass es in den kommenden Jahren deutlich weniger sein wird.

Soziale Kluft größer als im Westen

Und so gilt es längst als wichtigste Aufgabe der kommenden Führungsmannschaft rund um den derzeitigen Vizepräsidenten Xi Jinping neue Quellen des Wachstums zu erschließen. Xi, der in den kommenden Tagen zuerst zum KP-Chef und später dann zum Präsidenten Chinas ernannt wird, hat das Wachstumsmodell bereits offen als nicht nachhaltig bezeichnet und Reformen in Aussicht gestellt. Die müssten auch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verringern, die im offiziell noch kommunistischen China bereits deutlich größer ist als in den kapitalistischen Ländern des Westens.