Berlusconi meldet sich zurück

Italien wählt Sonntag und Montag ein neues Parlament. Für den scheidenden Premier Mario Monti wäre eine große Koalition nach der Wahl von Vorteil, um die Wirtschaftskrise zu überwinden. Gleichzeitig ist Ex-Premiers Berlusconis Stern wieder im Steigen – ein Szenario, das von Vielen gefürchtet wird.

Mittagsjournal, 20.2.2013

Aus Rom,

Fulminante Aufholjagd

Wohl noch nie ist eine Wahl in Europa so aufmerksam beobachtet worden, wie die Bevorstehende in unserem südlichen Nachbarland. Italien ist die drittgrößte Wirtschaftsmacht Europas. Mit der politischen und wirtschaftlichen Stabilität Italiens steht und fällt das Wohl der Euro. Mario Montis Expertenkabinett ist es gelungen, den Haushalt zu sanieren. Die nächste Regierung muss den Sanierungskurs fortsetzen. Und jetzt hat ausgerechnet jener Aufwind bekommen, der Italien fast ruiniert hat: Silvio Berlusconi hat einen fulminanten Wahlkampf hingelegt, sodass mache sogar befürchten, er könnte die Linke noch überholen, die seit Wochen in Führung liegt.

Phänomen Berlusconi

Strahlend steht Berlusconi auf der Bühne einer gerammelt vollen Messehalle in Mailand: Ich habe ein gute Nachricht für Euch, ruft er, eine sehr, sehr gute: es scheint, dass wir sie eingeholt und überholt haben.

Seit drei Wochen verbietet das Wahlgesetz die Veröffentlichung von Umfragen. Jeder kann alles behaupten. Genau das ist eine Stärke des Cavaliere. In den vergangenen Wochen hat er mit einer unwahrscheinlichen Energie von früh bis spät jede Talkshow und jede Bühne genützt, um seine Wähler zurückzugewinnen.

Es ist ihm gelungen, dem Wahlkampf ein zentrales Thema aufzuzwingen: Wollt ihr weniger Steuern für die Unternehmen, weniger Steuern für die Familien, weniger Steuern auf die Arbeit? Ja, brüllt der Saal.

Gebetsmühlenartig wiederholt Berlusconi, dass Mario Monti Italien mit seiner Sparpolitik in eine gefährliche Spirale der Rezession gestoßen hat, und zwar im Auftrag Deutschlands: "Das Ergebnis der verfehlten Politik dieser Regierung ist die Verschlechterung aller Wirtschaftsdaten, sagt Berlusconi."

Kurzgedächtnis der Wähler

Die Journalistin erinnert ihn daran, dass er mit seiner Politik Italien im November 2011 an den Rand des Abgrunds geführt hat. Er reagiert wie immer bei diesem Rhema verärgert: Das ist nicht wahr, sagt Berlusconi, da war alles in Ordnung! Das ist ein großer Schwindel!

Berlusconi hat in diesem Wahlkampf versucht, die Geschichte der vergangenen 15 Monate umzuschreiben, erklärt der politische Kommentator des Corriere della Sera, Massimo Franco: Berlusconi hat einfach geleugnet, dass seine Regierung das Land an den finanziellen Abgrund geführt hat. Er bestreitet schlicht, dass die hohen Zinsen auf die Staatsschulden und die aufgeblähten Kosten für den Staat ein Problem sind.

Zugleich stellt er Mario Monti als Erfüllungsgehilfen Deutschlands dar. Eine Art europäisches Komplott habe ihn gestürzt. Das ist die Version, mit der Berlusconi versucht hat, das Desaster vergessen zu machen, das er selbst angerichtet hat.

Bei einem Teil der Wählerschaft sei ihm das auch gelungen, sagt Franco: Berlusconi weiß, welche Register er ziehen muss. Er ist ein begnadeter Wahlkämpfer. Er garantiert weniger Steuern, verspricht einen Straferlass für Steuersünder und legt Monti die Sparpolitik zur Last. Mit diesen Argumenten mobilisiert er noch immer einen Teil seiner Wählerschaft. In Ermangelung einer Alternative im konservativen Lager wird er noch immer viele Stimmen bekommen.

Was verwundert ist das kurze Gedächtnis der Wähler, die Tatsache, dass so Viele Berlusconi noch immer Glauben schenken. Massimo Franco antwortet mit einer Gegenfrage: Warum glauben die Wähler seinen Gegnern nicht? Die Stärke Berlusconis liegt in der Schwäche seiner Gegner. Trotz des Berlusconi-Desasters sind sie nicht imstande, eine glaubwürdige Alternative anzubieten.

Der politische Kommentator der größten bürgerlichen Zeitung Italiens geht trotzdem davon aus, dass das Wahlbündnis der Linken gewinnen wird. Aber, unterstreicht er, sie hätten besser abschneiden können, wenn sie im Wahlkampf überzeugendere Argumente gehabt hätten.