Mythos Erdgas-Vorkommen

Seit die texanische Gesellschaft Noble Energy Ende 2011 Erdgasvorkommen vor der Südküste Zyperns nachgewiesen hat, befeuern die Schätze unter dem Meeresgrund die Phantasie - gerade jetzt, da die Regierung verzweifelt auf Geldsuche ist. Doch selbst wenn die Gasförderphantasien Realität werden sollten - derzeit ist das nicht viel mehr als Spekulation.

Mittagsjournal, 22.3.2013

Milliardenphantasien

In den Vorstellungen der Optimisten strömen schon Hunderte Milliarden Dollar ins Land. Im besten Fall, sagen Branchenkenner, könnten die bekannten und vermuteten Lager vor der Küste Zyperns mehr als drei Jahre lang den gesamten europäischen Gasbedarf decken. Die Förderung könnte in etwa fünf Jahren beginnen. Einer Studie der Royal Bank of Scotland RBS zufolge beträgt der momentane Marktwert der Gas- und Ölvorkommen mehr als 600 Milliarden Euro. Davon, so eine Faustregel, würde der Staat etwa die Hälfte kassieren. Die Einnahmen wären damit an die 15 Mal so hoch wie der aktuelle Schuldenstand.

Zahlreiche Unklarheiten

Nach Darstellung der Realisten darf die Regierung in Nikosia hingen nur mit vergleichsweise geringen Erlösen rechnen. Die möglichen Einnahmen basieren auf Hochrechnungen, teure Probebohrungen hat es nur wenige gegeben, ebenso seismische Untersuchungen der Quellen, die gut vier Kilometer unter dem Meeresboden vermuten werden. Fraglich ist auch, für welche Gasfelder der griechische Teil Zyperns Verträge mit Mineralölkonzernen und Förderfirmen abschließen darf. Die türkische Seite verlangt zumindest einen Teil der Ausbeute, hinzukommen die Interessen Syriens, des Libanons und Israels. Bohr- und Förderrechte in der Region bekommen damit eine geopolitische Dimension.

20 Prozent Erfolgsaussicht

Zumindest mit Israel hat Zypern die Grenze im Mittelmeer schon abgesteckt. Ein Konsortium aus Franzosen, Italienern und Südkoreanern hat für ein paar Abschnitte die Konzession erworben. Russland ist noch nicht zum Zuge gekommen, angeblich aus Rücksicht auf EU-Interessen. Wann, zu welchen Kosten und in welchem Ausmaß die Gruppe fündig wird, ist unklar. Die Erfolgsaussichten bei neuen Feldern liegen im Schnitt bei 20 Prozent. Und bevor auch nur ein Kubikmeter Gas verarbeitet ist, bedarf es Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe.
Energieexperten dämpfen daher Erwartungen. Die Förderung könnte langsamer und teurer werden als erhofft. Außerdem könnten die Zyprioten in ein paar Jahren das Gas nur auf einem Markt anbieten, der wenig Bedarf hat - aufgrund großer Mengen an günstigem Schiefergas, zumindest aus Nordamerika, eventuell auch aus Russland.