Russland: Schikanen gegen Amnesty und Co.
In Russland verschärft die Obrigkeit den Umgang mit kritischen Nicht-Regierungsorganisationen weiter. In den letzten Tagen wurden in hunderten Büros landesweit Hausdurchsuchungen durchgeführt, von Amnesty International bis zu Memorial. Jetzt nehmen die Behörden auch die Vertretungen deutscher Stiftungen ins Visier.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 26.3.2013
"Ausländische Agenten"
Staatsanwälte und Steuerbehörden sind seit dem Wochenende Dauergäste bei russischen NGOS, in landesweit bis zu 2.000 Büros der 41 größten Menschenrechtsorganisationen habe es Hausdurchsuchungen gegeben, erklärt Pavel Chikov von der Anwaltsvereinigung Agora. Das Ziel ist es nachzuweisen, dass sie finanzielle Unterstützung aus dem Ausland bekommen. Laut einem Gesetz, das letztes Jahr beschlossen wurde, müssen sich die Organisationen in diesem Fall offiziell selbst als ausländische Agenten deklarieren - ein seit Sowjetzeiten extrem negativ besetzter Begriff. Deshalb boykottieren die größten NGOs die Regelung, umso mehr als es im Widerspruch zu anderen russischen Gesetzen steht, etwa dem ohnehin schon sehr restriktiven Gesetz, das die Zulassung von NGOS regelt.
Anordnung von ganz oben
Die Schonfrist ist jetzt offenbar vorbei. Dass die Behörden aber so massiv mit einem Schlag praktisch alle missliebigen Organisationen aufs Korn nehmen kommt überraschend. Die Motivation sei klar, erklärt Sergei Nikitin von Amnesty International Russland, deren Büro ebenfalls durchsucht wurde: "Wir können davon ausgehen, dass die Anweisungen für diese Aktion von ganz oben kommen. Das Ziel ist es, die Existenz der Menschenrechtler zu beenden. Sie decken die Fehler des Systems auf und sind für die Regierung daher sehr unangenehm."
Sollten die Behörden Hinweise darauf finden, dass das Gesetz verletzt wurde, droht den NGOs eine sechsmonatige Schließung, den Verantwortlichen eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Besonders bitter ist der Vorwurf, ausländischer Agent zu sein, für Ljudmilla Alexeewa von der der Moskauer Helsinki-Gruppe: Schon die Sowjetunion hat damalige Dissidentin in den 1970ern mit genau dem gleichen Vorwurf aus dem Land geworfen: "Das ist nur eine neue Methode, uns an den Pranger zu stellen. Wir betrachten uns nicht als ausländische Agenten und haben auch nicht vor, uns so zu bezeichnen."
Verstimmung in Berlin
Verstimmung in Berlin
Die Führung macht dabei auch vor ausländischen Organisationen nicht halt: In den Büros der deutschen CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gab es Kontrollen. Aus dem deutschen Auswärtigen Amt hieß es dazu: Eine Behinderung der Arbeit der deutschen Stiftungen werde die russisch-deutschen Beziehungen nachhaltig belasten.