Reiche Russen drängen in den Westen

Zwei Geschäftsleute aus Russland sind es, die laut Anklage für einen österreichischen Pass viel Geld zu zahlen bereit waren. Auch bei der "Part of the Game"-Affäre um Uwe Scheuch ging es um Russen und österreichische Pässe. Der Wunsch, auszuwandern oder zumindest den Pass eines sicheren Landes zu haben, steigt derzeit in Russland stark an. Der Export von Öl und Gas liefert dafür auch die finanziellen Mittel.

Mittagsjournal, 24.1.2013

Aus Moskau,

Wohlhabende wollen weg

"Pora Valit` - es ist Zeit abzuhauen". In der russischen Mittel- und Oberschicht ist das seit Jahren ein geflügeltes Wort. In der offiziellen Statistik gibt es keine aussagekräftigen Zahlen, wie viele Russen tatsächlich auswandern. Der Vorsitzende des Rechnungshofes, Sergei Stepaschin, meinte hingegen in einem Interview, dass in den letzten fünf Jahren 1,2 Millionen Russinnen und Russen das Land verlassen haben - die größte Auswanderungswelle seit der Revolution im Jahr 1917.

Besonders groß ist der Wunsch auszuwandern bei den wohlhabenden und gebildeten Städtern - also genau der Gruppe, die im vergangenen Jahr die Protestbewegung gegen Wladimir Putin getragen hat. Die Niederschlagung der Protestbewegung führe sicher nicht dazu, diese Bürger im Land zu halten, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew: "Zu Sowjetzeiten war Allen klar, dass sie ihr Leben nur ändern können, wenn sich das politische Regime ändert. Heute kann man im eigenen Leben viel machen, ohne Änderung des Regimes. Die Leute, die demonstriert haben, werden weiter kritisieren und protestieren, aber sich vor allem um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Und wem das nicht reicht der wandert aus. Und das passiert zur Zeit sehr aktiv".

Nach Deutschland, USA und Österreich

Eine aktuelle Umfrage der Gruppe Sonovotoc bestätigt diese Einschätzung: 58 Prozent der russischen Mittelschicht denken darüber nach auszuwandern. Und mehr als zehn Prozent der Mittelschicht würden auch konkrete Schritte setzen, um tatsächlich das Land zu verlassen.

Aber es ist nicht nur die unzufriedene Mittelschicht. Auch die Elite versucht sich abzusichern, schickt die Kinder zum Studium ins Ausland, von wo sie oft nicht zurückkehren, kauft sich Immobilien und, wenn es geht, auch einen ausländischen Pass - quasi zur Absicherung, um im Fall des Falles schnell das Land verlassen zu können.

Im Herbst wurde bekannt, dass sogar der Leiter der obersten staatlichen Ermittlungsbehörde, Alexander Bastrykin, Wohnungen in Prag und einen tschechischen Pass hatte - den er, wie er nach Bekanntwerden des Skandals erklärte, natürlich längst zurückgegeben habe.

Viele lassen ihr Geschäft in Russland, ihre Familien und ihr Geld schicken sie aber in den Westen: Allein im vergangenen Jahr sind laut russischer Zentralbank 57 Milliarden US-Dollar ins Ausland abgeflossen, im Jahr davor sogar 80 Milliarden.

Beliebteste Auswanderungsziele sind Deutschland und die USA, aber auch Österreich ist vorne dabei, glaubt man der russischen Presse, in der regelmäßig die Vor- und Nachteile verschiedener Länder abgewogen werden. Laut einem Artikel in der Zeitung New Times vom vergangenen Herbst ist die Auswanderung nach Österreich verhältnismäßig kompliziert und teuer - mit weniger als fünf Millionen Euro auf der hohen Kante habe man keine Aussicht auf Erfolg. Dafür lockten Österreich und Wien mit hoher Lebensqualität und verhältnismäßig preiswerten Immobilien.