Spanien - Brennpunkt der EU-Sozialkrise

Spaniens Notenbank rechnet heuer mit einem kräftigen Rückgang der Wirtschaftsleistung und einer Rekord-Arbeitslosigkeit. In ihrem Monatsbericht geht die spanische Zentralbank davon aus, dass die Arbeitslosenquote bis zum Jahresende auf 27 Prozent steigt und die Wirtschaft um 1,5 Prozent schrumpft.

Arbeitslose Jugendlichen in Spanien

(c) Lizon, EPA

Mittagsjournal, 27.3.2013

Aus Madrid,

Riesige Einkommensunterschiede

Die Hilfsorganisation Caritas Spanien warnt vor den Auswirkungen der Krise, die soziale Kluft in Spanien werde immer breiter. Besonders auffallend ist: Staaten mit hohem Armutsrisiko zeigen auch große Unterschiede bei den Einkommen. Dazu vergleicht man das einkommensstärkste mit dem einkommensschwächsten Fünftel der Bevölkerung. Das Ergebnis: der Unterschied zwischen hohen und geringen Einkommen ist in Spanien mit einem Faktor von 6,8 der höchste in der EU, gefolgt von Lettland und Bulgarien. Caritas-Chef Sebastian Mora: „Mit Rücksicht auf die Gerechtigkeit und den sozialen Zusammenhalt darf die derzeitige Situation nicht länger anhalten. Unsere sozialen Strukturen sind nicht nur zusammen gebrochen, es kommt erschwerend hinzu, dass das in kurzer Zeit passiert ist. Wir sind nicht nur arm, wird sind ungewöhnlich schnell arm geworden.“

Regierung optimistisch

Die konservative Regierung unter Mariano Rajoy hat seit der Amtsübernahme Ende 2011 ihren Kurs nicht geändert: sie pocht darauf, dass Opfer notwendig sind, um die Schulden der vergangenen Jahre und das angewachsene Defizit abzubauen. Nach einer Phase der Anpassung, in der die Zahl der Arbeitslosen weiter wachsen würde, rechnet die Regierung im kommenden Jahr mit Wachstum und einer Besserung. Die als unumgänglich bezeichnete Strukturreform hat den spanischen Familien deutliche Einkommensverluste gebracht. „Wenn wir uns die inflationsbereinigte Statistik ansehen, mit Lohnkürzungen von 4% und einer Preissteigerung von 10 Prozent, dann stellen wir fest, dass wir was Einkommen betrifft, um ein Jahrzehnt zurückgeworfen wurden.“

Arbeitslos, kein Einkommen, keine Wohnung

In der Studie der katholischen Hilfsorganisation Caritas werden drei Millionen Spanier – das entspricht rund 6 Prozent der Bevölkerung - als „extrem arm“ bezeichnet. Menschen, die bei der Ernährung, der Unterkunft und der Bekleidung von der Unterstützung der Hilfsorganisationen abhängig sind. Das Rote Kreuz spricht von 3 Millionen Bedürftigen, die Hilfe bekommen, die Caritas versorgt 1,8 Millionen Menschen und hat ihre Hilfe in den Krisenjahren verdreifacht.
„Zwei Drittel der Menschen, die zu uns kommen, waren vorher in den Hilfestellen der Gemeinden und konnten dort nicht betreut werden.“
Die 38-Jährige Fanny aus Ecuador ist arbeitslos, sie lebt mit ihrer Tochter in einer Wohnung von Verwandten, die demnächst geräumt werden muss.
„Ich lebe in einem Zimmer einer Wohnung meiner Brüder, die die Kreditraten nicht zahlen können. Wir warten auf die Delogierung.“

Von 26 Millionen Arbeitslosen in der EU findet man 6 Millionen in Spanien. Die Arbeitslosenraten bei Erwachsenen liegt über 26 Prozent, bei Jugendlichen weit über 50. Dennoch sind die befürchteten sozialen Unruhen bisher ausgeblieben. Sebastian Mora: Wenn wir von einem sozialen Bruch sprechen, denkt man an Unruhen, an Menschen in den Straßen. So weit ist es noch nicht. Tatsache ist, dass viele Familien echte Not leiden.“

Spaniens soziale Realität: 630.000 Haushalte verfügen über kein fixes Einkommen. Das sind doppelt so viele Familien, wie im Jahr 2007, als die Immobilienblase platzte und die Finanzkrise über das Land hereinbrach. Öffentliche Zuschüsse werden gekürzt; immer mehr Menschen sind auf die Hilfe privater Organisationen angewiesen.