Moskau: Verfahren gegen Wahlbeobachter
Auf Druck von Russlands Präsident Putin wird nun der renommierten Wahlbeobachtungsorganisation Golos der Prozess gemacht. Die Organisation bezeichne sich nicht als ausländischer Agent, obwohl sie Geld aus dem Ausland erhalte, so der Vorwurf des Justizministeriums. Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet die Kreml-kritischen Wahlbeobachter die ersten Opfer des umstrittenen Gesetzes werden.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 10.4.2013
Aus Moskau,
Befehl von oben
Golos erhalte Geld aus dem Ausland, sei in Russland politisch tätig und agiere daher als ausländischer Agent, lässt das russische Justizministerium auf seiner Homepage verlauten. Weil sich die Wahlbeobachtungsorganisation aber weigert, diese Bezeichnung zu tragen, droht ihr nun eine saftige Geldstrafe, möglicherweise auch die Schließung durch die Behörden. Die Organisation Golos, die unter anderem von den USA und der EU finanziert wird, weist die Vorwürfe zurück: Seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes habe man kein Geld aus dem Ausland erhalten.
"Wir werden gegen diese Entscheidung berufen, sagt der stellvertretende Leiter von Golos, Grigori Melkonjanz. Wir bekommen kein ausländisches Geld. Das Justizministerium ist in einer schwierigen Lage, es muss laut Befehl von oben aufdecken, dass Nichtregierungsorganisationen als ausländische Agenten tätig sind, aber es gibt nichts aufzudecken. Sie wollen uns unbedingt bestrafen, finden aber keinen Grund."
Wahlbeobachter im Visier
Dass ausgerechnet die Wahlbeobachtungsorganisation Golos, auf Deutsch "Stimme" erstes Opfer des umstrittenen Gesetzes gegen Nichtregierungsorganisationen wird, ist wohl alles andere als ein Zufall. Die unabhängigen Wahlbeobachter deckten bei den Parlamentswahlen vom Dezember 2011 und den Präsidentschaftswahlen letzten März unzählige Wahlmanipulationen auf. Manipulationen, die danach zehntausende Russen zu Massenprotesten auf die Straße trieben.
Unter allen Nichtregierungsorganisationen störe Golos die Staatsmacht am meisten, sagt die renommierte Menschenrechtlerin Ljudmilla Alexejewa. Denn Golos setze sich für freie Wahlen ein und genau dies fürchte das Regime. Nun soll die drohende Strafe gegen Golos wohl auch anderen kremlkritischen Organisationen als Exempel dienen. Viele NGos weigern sich, sich als ausländische Agenten zu bezeichnen, ein seit Sowjetzeiten extrem negativer Begriff, der allen aus Imagegründen für viele Bürgerrechtsorganisationen das Aus bedeuten könnte.
Unterdessen geht der Druck der russischen Führung gegen die Zivilgesellschaft weiter. Gestern beschloss das Parlament ein Gesetz, das die Beleidigung religiöser Gefühle unter Strafe stellt. Bis zu fünf Jahre Haft drohen demnach jedem, der Gefühle von Gläubigen verletzt oder religiöse Orte oder Gegenstände schändet. Anlass dafür war der Auftritt der kremlkritischen Punkband Pussy Riot. Sie hatte vor gut einem Jahr in einer Kathedrale ein Anti-Putin-Lied angestimmt. Drei junge Frauen der Band wurden zu zwei Jahren Straflager verurteilt: „Russland solle in den Augen der Machthaber ein paradiesisches Land voller Engel werden", ätzt dazu der kremlkritische Radiokommentator Dmitri Gubin. „Das hätten schon die Bolschewiken versucht. Diese mit Terror, die jetzige Führung mit Gesetzen."
Ob Putins Regime aus Russland ein Paradies machen will, ist fraglich. Dass kritische Stimmen nicht willkommen sind, ist offensichtlich.