Belgien vor dem Thronwechsel
Monarchen haben in den europäischen Staaten keine überragende Rolle - in Belgien gilt der König aber doch als derjenige, der Wallonen und Flamen zusammenhält. Am Sonntag wird König Albert der Zweite nach zwanzig Jahren abdanken und sein auch schon 53-jähriger Sohn Philippe nimmt Platz auf dem Thron. Er tritt ein schweres Erbe an - denn jeder zweite Belgier ist nicht überzeugt davon, dass der Kronprinz das Zeug zum König hat.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 20.7.2013
Philippe: Ernsthaft und schüchtern
Der künftige König Philippe gilt als schüchtern ernsthaft und unbeholfen. Belgische Karikaturisten zeichnen ihn oft beim Studium von Handbüchern mit dem Titel "wie man ein guter König wird" Im Vergleich zu seinem Vater Albert tritt der 53jährige Politkwissenschafter und Kampfpilot selten in der Öffentlichkeit auf, zuletzt als sein Vater den Rückzug vom Thron angekündigt hat - Philippe wie immer wortkarg: Ich bin mir meiner Verantwortung voll bewusst und werde mich weiter mit ganzem Herzen engagieren.
Gerade das fehlende Charisma im Umgang mit der Öffentlichkeit sei einer der größten Schwach-punkte des künftigen Königs meint der Journalist Christian Laporte, einer der anerkanntesten Monarchie-Experten des Landes: Es ist jemand der sich seit mehr als 20 Jahren auf das Amt vorbereitet hat, da sehe ich keine Probleme. Bedenken habe ich eher dass er nicht gut mit der Entwicklung der modernen Kommunikation mithält. Heute ist alles sehr schnell, spontan, die Rolle der Bilder, die knackigen Sager, er hat einfach Probleme mit der Kommunikation
Einheit des Landes am Prüfstand
Es ist aber gerade die Kommunikation die Vermittlung zwischen Wallonen und Flamen die zum Gradmesser seines Erfolgs als König werden dürfte. Nach den letzten Parlaments-Wahlen ist die flämische NVA zur stärksten Einzelpartei des Landes geworden, mit dem langfristigen Ziel eine autonome Republik Flandern zu schaffen, wohl das Ende des heutigen Belgiens und wohl auch der Monarchie. 541 Tage ist das Land damals regierungslos aber König Albert hat als rastloser Vermittler für die Einheit niemals aufgegeben: Der König und die königliche Familie sind eine der wenigen Ausnahmen die Belgien heute noch zusammenhalten, natürlich abgesehen vom Fußball und dem Bier gewesen,
Wie verfahren und absurd der Sprachenstreit zwischen dem flämisch ist zeigt ein in Windeseile erlassenes Gesetz, dass es dem neuen König ermöglichen soll in allen Landessprachen zu unterzeichnen, also nicht nur als Philippe wie er laut Geburtsurkunde heißt sondern eben auch auf flämisch als Filip. Die Feuerprobe kommt für den neuen König nach den Parlaments-Wahlen im kommenden Jahr. Jeder 2. Belgier bezweifelt, dass er das Land gegen die separatistischen Strömungen zusammen halten kann. Christian Laporte bleibt optimistisch: Das ist jemand der die großen Philosophen gelesen hat, die Literatur kennt, der seit seiner Jugend viel gereist ist, auch unter schwierigsten Bedingungen wie bei dem schweren Erdbeben in Kolumbien, der über eine gewisse Tiefe verfügt und der die Belgier noch überraschen wird.
Die größte Stärke des neuen Königs ist möglicherweise seine Ehe-Frau Mathilde. Die Psychologin und Logopädin ist volksnah wirkt warmherzig, wird vom ganzen Land geliebt und gilt als Glücksfall für die belgische Monarchie gilt. Und so ist es auch kein Zufall, dass der scheidende König sie in seiner Abdankungsansprache ausdrücklich erwähnt.
Service
ORF2 überträgt am Sonntag die Zeremonie ab 10.30