Chodorkowski bei Straßburger Gericht abgeblitzt

Der umstrittene erste Prozess gegen den Kremlkritiker Michail Chodorkowski war nach Einschätzung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nicht politisch motiviert. Allerdings sahen die Richter mehrere Rechtsverletzungen in dem international kritisierten Verfahren als erwiesen an. Sie sprachen dem seit 2003 inhaftierten Ex-Ölmagnaten eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu.

Mittagsjournal, 25.7.2013

Menschenrechtler enttäuscht

Schon zum wiederholten Mal scheitert Chodorkowski in Strassburg mit seiner Klage gegen russische Justizwillkür. Einige Regierungsverantwortliche hätten zwar ein persönliches Interesse an der Verfolgung von Chodorkowski gehabt, räumen die Strassburger Richter ein. Das bedeute jedoch nicht, dass er nicht auch ohne diesen Umstand verurteilt worden wäre. Immerhin sei er nicht wegen seiner politischen Tätigkeit angeklagt worden. Menschenrechtler reagieren enttäuscht. Das Urteil sei nicht nur mild, sondern auch feige, kritisiert die bekannte russische Menschenrechtsaktivistin Ljudmilla Alexejewa.

Michail Chodorkowski, damals reichster Mann Russlands und Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos, wurde 2005 zu acht Jahren Gefängnis unter anderem wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Ein Prozess, der weit über die Grenzen Russlands hinaus als politisch motiviert kritisiert wurde. Galt Chodorkowski doch als einer der schärfsten Kritiker von Präsident Wladimir Putin und finanzierte die politische Opposition. Zudem weigerte er sich, wie von Putin gefordert, nicht in die Politik einzumischen.

Dritter Prozess in Vorbereitung

Da dürfte es für den ehemaligen Ölmilliardär und Kremlkritiker ein schwacher Trost sein, dass die Strassburger Richter dennoch mehrere Grundrechtsverletzungen als erwiesen ansehen. Und Russland zur Zahlung von 10.000 Euro Entschädigung verurteilen. So sei das Verfahren teilweise nicht fair gewesen. Auch hätte Chodorkowski aus familiären Gründen nicht in so weit entferntes Straflager nach Sibirien geschickt werden dürfen.

Die Anwälte von Chodorkowski fordern aufgrund dieser Rechtsverstöße die sofortige Freilassung des Ex-Oligarchen. Nach aktuellem Stand hat Chodorkowski, der inzwischen in einem zweiten Verfahren wegen Öldiebstahls verurteilt wurde, noch ein gutes Jahr Haft abzusitzen. Dass er bald freikommt, ist aber wenig wahrscheinlich. Die russische Justiz soll bereits einen dritten Prozess gegen den Putin-Kritiker vorbereiten.

Übersicht