Lampedusa: Flüchtlingswelle hält an

Die Opferzahl nach der jüngsten Schiffskatastrophe im Mittelmeer am Freitag könnte viel höher sein als ursprünglich angenommen. 40 Tote wurden geborgen, bis zu 150 werden noch vermisst. Gleichzeitig hält die Flüchtlingswelle aus Nordafrika unverändert an. Das Wetter ist derzeit offenbar günstig und so stranden täglich weitere überfüllte Boote mit Verzweifelten an den Küsten Süditaliens.

Mittagsjournal, 14.10.2013

Schüsse von der Küste

Um halbsechs Uhr früh legt das Schiff im Hafen an, ganz allein, ohne Hilfe, sagt ein Hafenarbeiter.

Die Küstenwache hat sie in Empfang genommen. 130 Syrer, vier brauchten medizinische Hilfe. Aber die gefährliche Reise war geglückt. Die Neuen kommen ins Aufnahmezentrum von Lampedusa, das mit derzeit 800 Insassen bereits dreifach überfüllt ist.

Eine weitere Tragödie war dagegen das Unglück Freitags Abend auf hoher stürmischer See. Das überfüllte Schiff kam aus Libyen und war beschädigt. Die Überlebenden erzählen, als sie ausgelaufen waren, wurde von der Küste aus auf sie geschossen. Ihr Boot wurde beschädigt und ist rund 100 Kilometer südlich von Lampedusa und Malta schließlich gekentert. Italienische und maltesische Einsatzkräfte kamen zu Hilfe.

212 Bootsflüchtlinge wurden bis in die Nacht hinein mit Schlauchbooten und Schwimmreifen aus dem Wasser gerettet. 38 Leichen wurden bis gestern geborgen, zuletzt: ein dreijähriges Kind. Aber es waren angeblich waren 400 Passgiere an Bord. Das bedeutet weitere 150 sind ertrunken und bis jetzt im Meer verschwunden.

Weiter Abwehr statt Hilfe

Premier Letta und Maltas Premier, Josef Muscat, machen inzwischen gemeinsam Druck auf Brüssel, das Thema ins Zentrum der EU-Politik zu rücken.
Zugleich will Rom selbst mehr gegen die sich abspielende humanitäre Katastrophe im Mittelmeer unternehmen. Die italienische Regierung ruft die Aktion "Mare sicuro" ins Leben, "Sicheres Meer". Per Dekret sollen heute Mittel und Personal der Marine verdreifacht werden, um vom Wasser und aus der Luft eine bessere Überwachung und eine bessere Notrettung zu gewährleisten.

Der Akzent bleibt auf Abwehr, sagen die Kritiker. Damit wird sich nichts am Horror ändern, vor dem die Menschen aus Afrika fliehen. Und es wird die verzweifelten nicht davon abhalten, den lebensgefährlichen Fluchtweg übers Mittelmeer zu wagen.

Bei 364 hält inzwischen die Zahl der geborgenen Toten des Unglücks vom 3. Oktober. 150 Särge sind gestern mit einem Kriegsschiff der Marine nach Sizilien gebracht worden. Ein zweiter Transport passiert heute. Im Hafen von Lampedusa werden zur Stunde mit Kränen die Särge verladen. Wer dort ist, schildert erschütternde Szenen, wie die Angehörigen Abschied nehmen - viele sind weither in Europa angereist. Ihre Toten werden in verschiedenen Friedhöfen auf Sizilien ein Gr ab bekommen. Der Vorschlag von Premier Letta, ihnen ein Staatsbegräbnis zu geben, dürfte sich nicht verwirklichen.