Italien: Debatte über Flüchtlingspolitik

Nach dem Flüchtlingsdrama vor Lampedusa konnten noch immer nicht alle Toten geborgen werden. Die Betroffenheit ist noch immer groß. Doch das gestrige Treffen der EU-Innenminister lässt befürchten, daß die große Wende in der Flüchtlingspolitik der EU ausbleiben wird. Immerhin ist die Diskussion angestoßen und nicht ohne Selbstkritik.

Morgenjournal, 9.10.2013

"Biblische Ausmaße"

Immer wenn klar wird, wie überfordert Italien mit dem Flüchtlingsstrom an seiner Südgrenze ist, erschallt der Ruf nach der EU. Doch der Schock von Lampedusa hat das Land gezwungen, auch seine eigene Verantwortung zu suchen. Wie kann es sein, das ein überfülltes Schiff in Seenot in nächster Nähe der Küste nicht rechtzeitig gesichtet wird? Der Stabschef der Marine räumt Mängel in der Koordination zwischen den vielen Ordnungskräften ein. Und Admiral de Giorgi sagt, "wir brauchen mehr Personal und moderne Boote. Denn das Problem nimmt biblische Ausmaße an. Wo wir früher zwanzig retten mussten, sind es jetzt 300. Es ist eine Frage der Mittel und des politischen Willens. Natürlich lässt sich die Zusammenarbeit mit den EU-Partnern verbessern - aber Italien muss seinen Teil übernehmen."

Aufnahmezentrum verwahrlost

Auch die Unterbringung der Flüchtlinge ist notorisch schlecht. Geldmangel kann nicht die Ausrede sein, denn Brüssel schickt viel Geld zur Unterstützung. Das Zentrum in Lampedusa ist ein besonders krasses Beispiel: 250 Plätze für derzeit fast 1000 Insassen. Der Regen der vergangenen Nächte hat hunderte, die auf Matzratzen im Freien campieren, in Autos und Busse gezwungen.

In einer Radiodiskussion erinnert der Immigrationsbeauftragte des Innenministriums, Mario Morcone, daran, dass das Zentrum von Lampedusa, 2008 neu erbaut, eines der modernsten Europas war. Es gab zwei Brände, zuletzt 2011. Nur ein Teil wurde renoviert: "Was wurde getan seit 2011? Für 800 Personen war das Zentrum gebaut, warum fasst es noch immer nur 250? Und das gilt nicht nur für Lampedusa, sondern für unsere Aufnahme überhaupt: Warum ist sie so schlecht geworden? Sicher, es fehlen die Mittel. Aber es fehlt auch, wie soll ich sagen, die Hingabe für das Problem."

Umstrittenes Gesetz

Heiß diskutiert wird dieser Tage das Bossi-Fini-Gesetz, benannt nach seinen Erfindern. Es kriminalisiert illegale Einwanderung und bestraft auch jene, die Flüchtlingen dabei helfen. Es ist nicht mehr als eine ideologische Flagge, sagt der Beamte des Innenministeriums Morcone: "Es hat überhaupt keinen realen Nutzen. Im Gegenteil. Es erschwert den Ordnungskräften und der Justiz das Leben, und hat höchstens auf die Kultur einen Einfluss." Und es treibt die Emotionen hoch. Rechts und links gehen aufeinander los und vor allem Italiens harte Rechte, die Lega Nord, nützt das Thema für ihre Zwecke. Dabei führt nur ein Weg zu Resultaten, die dem Land und den Betroffenen nützen, sagt Morcone: Nicht ideologisches Fahnenschwingen, sondern eine moderate, vernünftige Sprache, um Probleme zu lösen, die eine gute Verwaltung und eine ausgewogen internationale Zusammenarbeit erfordern.

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