WIFO-Scheiblecker: Nachfrage noch zu schwach
Obwohl Einigkeit herrscht, dass die Lohnsteuer gesenkt werden muss, obwohl mit einem langsamen Wirtschaftsaufschwung gerechnet wird, wird die Zahl der Arbeitslosen dennoch steigen. Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut nennt dafür zwei Gründe: die schwache Nachfrage und mehr Arbeitskräfteangebot.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 4.11.2013
Arbeitsmarkt in Bewegung
Den Faktor Arbeit zu entlasten, hält auch Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut für den richtigen Ansatz. Warum ist es nun so, dass noch mehr Menschen arbeitslos sein werden, obwohl die Wirtschaft zumindest langsam wieder wächst? Scheiblecker nennt als Gründe zwei Entwicklungen auf dem heimischen Arbeitsmarkt: Einerseits die schwache Nachfrage, im kommenden Jahr werde die Wirtschaftsleistung um 1,7 Prozent steigen, das sei nicht viel. Bei der darunterliegenden Produktivität gehen sich da wenig neue Arbeitsplätze aus. Eine zweite Entwicklung ist die starke Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes durch die zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen, die - wie in den letzten Jahrzehnten - weiter steigen wird. Dazu kommt, dass der Zugang zu Frühpensionen jetzt doch etwas nach lässt, und das ist die stärkste Komponente, die ausländischen Arbeitskräfte, die sowohl über Pendelbewegungen als auch über Einwanderung zu uns kommen. Da sei die Entwicklung sehr dynamisch, und das konnte die heimische Wirtschaftspolitik offensichtlich nicht so richtig einschätzen, befindet Scheiblecker.
Zu den Wahlkampfversprechen, Arbeitsplätze zu sichern, meint Scheiblecker, die Politik könne vielleicht Jobs versprechen, aber die Arbeitslosigkeit sei ein schwieriges Feld, wenn man das Arbeitskräfteangebot nicht im Griff habe. Durch die Mitgliedschaft bei der EU gibt es einen liberalisierten Arbeitsmarkt, und das ist schwer zu prognostizieren. Dazu kommt, dass der Arbeitsmarkt üblicherweise verzögert auf eine konjunkturelle Belebung reagiert.
Maßnahmen im Wohnbau helfen
Die Regierung könne als Gegenmittel einerseits konjunkturelle Maßnahmen setzen, die recht kurzfristig wirken, Bauinvestitionen beispielsweise: „Das sind Maßnahmen, die wir in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich eher skeptisch gesehen haben, allerdings sieht man jetzt, dass die Nachfrage nach Wohnungen deutlich zugenommen hat, einerseits durch die größere Zuwanderung in Österreich, andererseits auch durch die Baupreise. Wir sehen hier auf den Immobilienmärkten Anspannungen vor allem in den Ballungsräumen. Der Wohnbedarf dürfte in den kommenden Jahren deutlich weiter steigen, und da hätte die öffentliche Hand sehr wohl Möglichkeiten, hier zusätzlich Finanzierung beziehungsweise Nachfrage zu schaffen, um hier die Wirtschaftskraft zu stärken“, sagt der Wirtschaftsforscher Scheiblecker.
Sich auf die wiederanlaufende Konjunktur zu verlassen sei schwierig für Österreich. „Wir sind doch als kleine, offene, exportorientierte Volkswirtschaft Konjunkturnehmer. Also wir selber können die Konjunktur außer im Baubereich recht wenig beeinflussen, der Rest geschieht im Ausland. Deswegen hängen wir eher an der EU-Konjunktur und auch an anderen internationalen Konjunkturzyklen dran. Dabei ist die Wirtschaftspolitik fast ein wenig aus der Pflicht; was sehr wohl ihre Pflicht ist: die langfristigen Wirtschaftsentwicklungen zu
erkennen und dafür Vorsorge tragen, dass wir auch langfristig ein hohes Wirtschaftswachstum haben. Da gehört beispielsweise die Bildungspolitik dazu, da gehören auch andere Maßnahmen in der Umweltpolitik dazu, beispielsweise bei der Entbürokratisierung. All diese Dinge sorgen dafür, dass Österreich auch in Hinkunft in langer Frist wettbewerbsfähig bleibt“.
„Im Bereich Kompetenz Bund-Land ist zum Beispiel einiges zu holen, auch bei Förderungen. Es muss nicht jede Kleinigkeit, jede Trachtenkapelle gefördert werden, das verzerrt marktwirtschaftliche Entwicklungen. Daher plädieren wir dafür, dass das durchforstet wird, und da ist einiges zu holen, ohne sich darauf jetzt einzulassen, wie hoch die Milliardenbeträge sein sollen, die man da lukrieren könnte“.
Firmen mehr unterstützen
Im Wahlkampf war auch sehr viel vom Abbau der Hürden für Unternehmen die Rede, vor allem die ÖVP hat da von der Entfesselung der Wirtschaft gesprochen. Die Regierung hat laut Scheiblecker ohnedies schon in der Vergangenheit viel getan. Allerdings hinkt Österreich im Bereich Venture Capital noch immer hinterher - also bei Hilfe für Unternehmensgründungen oder Risikokapital für riskantere Investitionen. Im Unternehmensbereich gebe es Garantien oder Finanzierungszusagen beispielsweise, Bürokratieabbau, Erleichterungen
bei der Lohnverrechnung, größere Pauschalierungsgrenzen und so weiter, da gebe es schon einiges, was man noch verbessern könnte, befindet der Wirtschaftsforscher. Ob das allerdings die große Zukunftsinvestition sein wird, müsse bezweifelt werden. Wichtiger sei aber sicherlich, die langfristigen Themen anzugehen, wie Bildungspolitik und Technologieoffensive, sagt Scheiblecker.