Ersatzgift trifft Regenwürmer statt Bienen
Mit einem Sieg für die Bienen und ihre Unterstützer hat heuer der politische Kampf um die Neonicotinoide geendet. Jetzt aber scheint ein neuer Streit um ein chemisches Mittel zu entbrennen, das gegen den Schädling Maiswurzelbohrer wirkt. Und es ist nicht bienengiftig, sondern giftig für Regenwürmer. Der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) will die chemische Industrie offenbar nicht unterstützen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.12.2013
Fadenwürmer vs. Chemie
Viele Landwirte und Vertreter der chemischen Industrie trauern den Neonicotinoiden nach. Christian Stockmar, Obmann der Industriegruppe Pflanzenschutz und Österreich-Chef des Syngenta-Konzerns, sagt: Jetzt tritt ein, was man befürchtet habe: "Nämlich mit dem populistischen Verbot der Neonicotinoide hat die Landwirtschaft ein Problem in Österreich, es gibt keine erprobten Alternativen zur Schädlingsabwehr."
Vertreter biologischer Pflanzenschutzmethoden sehen das anders. Denn die österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) hat industriell produzierte winzige Fadenwürmer, sogenannte Nematoden, zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers zugelassen. Wie ein natürlicher Feind vertilgen sie die Maiswurzelbohrer-Larven. Laut Ages ist der Wirkungsgrad bei höherer Dosierung vergleichbar mit chemischen Pflanzenschutzmitteln. Trotzdem haben Bauernvertreter und der Syngenta-Konzern für ein chemisches Mittel eine vorübergehende "Gefahr-in-Verzug-Zulassung" beantragt. Sie wollen im Saatmais-Anbau das Mittel Force bzw. Tefluthrin einsetzen, das als sehr giftig für Wasserorganismen und Regenwürmer gilt. Stockmar: "Das ist wie bei Medikamenten. Jeder Wirkstoff hat Nebenwirkungen. Wir sind der Meinung, - und das hat die Ages zu beurteilen - dass das Mittel unter bestimmten Auflagen sicher einzusetzen ist."
"Erspart Gentechnik"
Der Industrievertreter betont, die Zulassung werde nur für rund zwei Prozent der Maisanbaufläche gefordert, eben für Saatmais - nicht für Futtermais, der an Schweine verfüttert wird. In den vergangenen Jahren habe das Mittel schon eine "Gefahr-in-Verzug-Zulassung" gehabt. "Tefluthrin ist eine Möglichkeit, um sicher zu stellen, dass wir gentechnikfreies Maissaatgut in ausreichender Menge zur Verfügung zu haben, damit wir nicht Maissaatgut importieren müssen."
Protest kommt von der Firma Enema, die Nematoden, also Fadenwürmer, verkauft. Geschäftsführer Ralf-Udo Ehlers bezweifelt, dass die Zulassung der chemischen Substanz Tefluthrin/Force gesetzeskonform wäre: "Es ist so, dass diese Notfallzulassung eigentlich nur dann möglich ist, wenn keine anderen Mittel zugelassen sind. Da nun aber die Nematoden in Österreich eine Zulassung haben, besteht ja nun an und für sich keine Notfallsituation."
"Im Zweifel für die Regenwürmer"
Der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter scheint es auch so zu sehen. In einer kurzen Stellungnahme sagt er heute Mittag, "es gibt keine Gefahr in Verzug", und "im Zweifel ist für die Regenwürmer zu entscheiden". Ob Rupprechter politische Missgeschicke seines Vorgängers Nikolaus Berlakovich nicht wiederholen will und mit ähnlicher Solidarität für die Regenwürmer rechnet, wie es sie für die Bienen gegeben hat, muss vorerst unbeantwortet bleiben. Aus Rupprechters Büro heißt es heute aber auch: Zuständig für die Zulassung sei das Bundesamt für Ernährungssicherheit bzw. die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Ages. Das allerletzte Wort ist also noch nicht gesprochen.