Nahost-Abkommen: Kerry lässt nicht locker

Mit großer Beharrlichkeit beginnt US-Außenminister John Kerry heute eine neue Vermittlungsrunde im Nahen Osten. Als im vergangenen Juli die Direktverhandlungen aufgenommen wurden, hatte Kerry vorgegeben, dass bis April 2014 ein kompletter Friedensvertrag stehen soll. Das gilt als sehr unwahrscheinlich, aber jetzt will Kerry wenigstens ein Rahmenabkommen zustande bringen.

John Kerry verlässt sein Flugzeug

(c) APA/EPA/FRANCIS R. MALASIG

Morgenjournal, 2.1.2014

Erfolg der Besessenheit

Zunächst will John Kerry den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu in Jerusalem treffen. Am Freitag steht dann ein Gespräch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas in Ramallah im Westjordanland auf dem Programm. Mindestens zum zehnten Mal in den letzten zehn Monaten kommt er nach Jerusalem und Ramallah, manche sprechen sogar schon vom zwölften Besuch des US-Außenministers – wenn man aufgehört hat, genau mitzuzählen, dann ist das auch ein Zeichen dafür, dass das alles schon ein bisschen langweilig geworden ist, weil man eben immer dieselben zweckoptimistischen Floskeln hört und Kerry nie etwas Konkretes zu vermelden hat. Aber man hatte Kerry ja von vornherein nicht einmal zugetraut, überhaupt Verhandlungen vermitteln zu können, und immerhin sitzen Israelis und Palästinenser seit dem letzten Juli wieder regelmäßig an einem Tisch – was nur dem Druck Kerrys zu verdanken war, oder man kann auch sagen: seiner Besessenheit.

Abkommen als Rahmen

Und vor dem jetzigen Besuch ist doch wieder etwas Spannung aufgekommen, weil Kerry mit einem neuen Hebel den Druck noch einmal verstärken will. Da die israelischen und die palästinensischen Unterhändler anscheinend nur ständig ihre Grundpositionen wiederholen und alleine nicht weiterkommen, will Kerry ihnen ein Rahmenabkommen vorsetzen – darin wären die Punkte markiert, an denen man sich zu treffen hätte, und wenn eine Partei das verweigert, dann würde man ihr vorwerfen, dass sie schuld wäre am Scheitern der Verhandlungen.

"Unlösbare" Fragen

Was in diesem Rahmenabkommen drinstehen wird, ist nicht bekannt, aber man kann es sich ungefähr vorstellen. Auf jeden Fall müssten all die heiklen Fragen berührt werden, die als unlösbar gelten, darunter die Grenzen eines Palästinenserstaats, Jerusalem, die palästinensischen Flüchtlinge, die Auflösung einiger jüdischer Siedlungen und der Fortbestand von anderen. Sicher werden die Amerikaner vorgeben, dass die Linie von 1967 mit kleinen Korrekturen die Basis für den territorialen Kompromiss sein muss, was für Israels Premier Benjamin Netanjahu schwer zu schlucken ist. Vermutlich wird von den Palästinensern verlangt werden, dass sie Israel als jüdischen Staat anerkennen – was indirekt bedeutet, dass sie auf die Rückkehr von palästinensischen Flüchtlingen ins israelische Staatsgebiet verzichten. Das wäre wiederum etwas, was Palästinenserpräsident Mahmud Abbas seinem Publikum schwer verkaufen könnte.

Nicht mehr als ein Papier

Insgesamt ist die Idee mit dem Rahmenabkommen noch mit Vorsicht zu genießen. Zum einen läuft das Ganze auf ein amerikanisches Diktat hinaus – und birgt daher die Gefahr eines bösen Prestigeverlustes für Kerry in sich, wenn es doch nicht klappt. Zum anderen besteht ein Rahmenabkommen eben nur aus Worten auf Papier, das bekanntlich geduldig ist – es wäre noch lange kein fertiger Friedensvertrag, dem auch Taten folgen müssten. Anders ausgedrückt: in der Realität verändert so ein Rahmenabkommen noch gar nichts. Jetzt wird man zunächst einmal sehen, ob Kerry schon bei diesem Besuch dieses angepeilte Rahmenabkommen perfekt machen kann. Wenn nicht, dann wird er halt in zwei, drei Wochen wiederkommen.

Übersicht

  • Naher Osten