Fischer zu Krim-Krise: "Europa am längeren Ast"

Bundespräsident Heinz Fischer glaubt im Konflikt zwischen Russland und dem Westen um die Ukraine weiter an eine friedliche Verhandlungslösung. Er glaubt nicht, dass Russlands Präsident Wladimir Putin einen "überhohen Preis" zahlen möchte und geht daher nicht von einem Militärschlag aus. Generell ist Fischer der Meinung, die momentanen Vorgänge rund um die ukrainische Halbinsel Krim hätten in einer modernen Gesellschaft und Außenpolitik nichts verloren.

Bundespräsident Heinz Fischer

(c) PETER LECHNER/BUNDESHEER, apa

Mittagsjournal, 8.3.2014

Bundespräsident Heinz Fischer ist "Im Journal zu Gast" bei

Wünscht sich vernünftige Verhandlungen

Bundespräsident Heinz Fischer hofft in der Krim-Krise weiter auf vernünftige Verhandlungen und will nichts vorwegnehmen. "Die Position Österreichs ist, dass wir für Verhandlungslösungen, gegen Gewaltanwendung eintreten und dass wir uns alle Schritte vorbehalten, so wie die weitere Entwicklung eben verläuft." Man müsse die Situation auf der ukrainischen Halbinsel in seiner Gesamtheit sehen.

Hier hätten sich mehrere Schritte ergeben, die problematisch waren, so Fischer, beginnend damit, dass der abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch beim bereits ausverhandelten Assoziierungsabkommen mit der EU die "Notbremse" zog, bis zur De-facto-Machtergreifung (pro-)russischer Kräfte auf der Krim, die Fischer neuerlich als Verletzung des Völkerrechts bezeichnet. Zu dem geplanten Referendum über den Beitritt der Krim zu Russland sagt der Bundespräsident: "Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das nicht idealen demokratischen Spielregeln entspricht."

Kritik an beiden Seiten

Das Argument des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die russische Minderheit auf der Krim schützen zu müssen, kann Fischer nicht ganz nachvollziehen. Es gebe in vielen europäischen Staaten Minderheiten und ein Nachbarstaat könne nicht beschließen, sich das betroffene Territorium einfach mit militärischen Mitteln zu holen, so Fischer: "Diese konkrete Vorgangsweise kann ich nicht akzeptieren."

Umgekehrt müsse die Mehrheitsbevölkerung in einem Staat Rücksicht auf die Minderheiten nehmen. Dass die Übergangsregierung in Kiew als einen der ersten Schritte die Minderheitenrechte der russischsprachigen Bevölkerung beschneiden wollte, bezeichnet Heinz Fischer "Im Journal zu Gast" als "eine wirkliche Dummheit und einen ganz unklugen und falschen Schritt".

Gegen vorschnelle Sanktionen

Fischer sagt, man müsse sich gegen die momentanen Vorgänge, "dass die großen Mächte den Anspruch erheben, auch in ihrem Umfeld, in ihren Hinterhöfen eine gewisse dominante Rolle zu spielen", wehren: "Das hat in einer modernen, zivilisierten, internationalen Gesellschaft, einer modernen Außenpolitik nichts verloren." Daher müsse man mit Russland Gespräche führen, den Russen "manche Sorgen" nehmen, so Fischer.

In der derzeitigen Situation sei es richtig, die Sanktionen "noch im Köcher zu belassen". Sollte es jedoch zu Sanktionen kommen, sitze Europa langfristig vielleicht sogar am längeren Ast, sagt der Bundespräsident. Sich Strafmaßnahmen als letzte Möglichkeit vorzubehalten, sei seines Erachtens kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Vernunft und "Vernunft ist immer Stärke".

"Putin kein Katastrophenpolitiker"

Heinz Fischer glaubt, Wladimir Putin werde nicht bereit sein, einen "übergroßen Preis" für Vorteile zu zahlen, die sich letzten Endes möglicherweise doch sehr in Grenzen halten: "Putin wird versuchen, bei der Schachpartie möglichst gute Positionen zu erlangen, und Obama beziehungsweise Europa müssen ein gutes Gegenspiel aufbauen. Ich schätze Putin so ein, dass er kein Katastrophenpolitiker ist."

Daher habe er einen gewissen Optimismus, letztlich doch in einen Verhandlungsprozess zu finden. "Putin kann ja nicht quasi die russische Armee gegen Europa schicken", sagt Fischer, und er könne sich auch keinen russischen Militärschlag gegen die Ukraine vorstellen. Es sei immer ein bisschen gefährlich, auf die Vernunft der Beteiligen vertrauen zu müssen, aber er würde die Gefährlichkeit der Situation auch nicht "hochschrauben", wie er sagt: "Die Situation hat heute sicher noch kein Stadium erreicht, wo man irreversibel auf eine Konfrontation zuschlittert, sondern wo man die Sache immer noch unter Kontrolle hat und man immer noch vernünftige Lösungen finden kann."