Ukraine-Umsturz: Dokumente gerettet

Nach seiner Flucht haben die Maidan-Aktivisten in der Residenz von Viktor Janukowitsch nicht nur gigantischen Reichtum gefunden, sondern auch wichtige Dokumente – geschreddert oder im hauseigenen Teich versenkt. Eine Initiative versucht nun, die zerschnittenen Papiere wieder lesbar zu machen, um die Wahrheit über die Machenschaften des Janukowitsch-Clans ans Licht zu bringen.

  • Zusammengesetzte Papierschnipsel

    8c) ORF, Karin Koller

  • Papierschnipsel werden zusammengesetzt

    (c) ORF, Karin Koller

  • zerkleinerte Papiere

    (c) ORF, Karin Koller

  • Müllsäcke

    (c) Karin Koller

|

Mittagsjournal, 10.3.2014

Aus Kiew

Rekonstruktion wichtiger Dokumente

Ein großer Raum – an die 70 Menschen sitzen hier, zumeist Frauen, gebeugt über winzig kleine Zettelchen. Bewaffnet mit Kleber bemühen sie sich, die zerstörten Dokumente wieder herzustellen. In der Ecke des Raums steht ein Berg schwarzer Müllsäcke – voll mit geschredderten Papieren aus Meshigorje, der Janukowitsch-Residenz. Zwanzig solcher Säcke wurden gerettet. Seit einer Woche sitzen hier Freiwillige – und kleben und kleben und kleben: ein gigantischen Puzzle der Machenschaften des Janukowitsch-Clans. Acht Säcke wurden bisher abgearbeitet.

"Unsere Aufgabe ist es, zunächst diese Papierstücke zu ordnen, sie dann auf buntes Papier zu kleben. Das Ganze wird dann in den Computer gescannt. Mit Hilfe eines speziellen Computerprogramms können dann ganze Dokumente rekonstruiert werden", erzählt Irina, eine der Pionierinnen hier, die hilft, die Arbeit zu organisieren.

Mithelfen statt abwarten

Es ist eine Sisyphus-Arbeit: "Wir haben im Prinzip von in der Früh bis Mitternacht offen. Wer kommen kann, kommt und bleibt, solange er will und kann – ein paar Stunden, den ganzen Tag", erzählt Irina. "Es sind ganz unterschiedliche Leute hier: junge Mütter, ganze Familien, Studenten und Pensionisten."

Galina ist eine von ihnen. Sie ist eigentlich Mathematikerin und unterrichtet am Polytechnischen Institut in Kiew. Heute ist sie an ihrem einzigen freien Tag der Woche hier. "Uns ist es wichtig, etwas zu tun", beschreibt Galina ihre Motivation. Ihr gehe es darum, "nicht einfach zuhause zu sitzen vor den Nachrichten im Fernsehen und nachzudenken, ob es nun Krieg gibt oder nicht, ob es die Politiker schaffen oder nicht. Das ist schrecklich und hier haben wir eine Aufgabe."

"Die Regierung soll dem Volk dienen"

Neben Galina am Tisch sitzt Olga, eine Pensionistin. Sie hat über Facebook erfahren, dass hier Freiwillige gesucht werden und ist gleich hergefahren, erzählt sie. Olga kommt aus dem Süden des Landes. "Ich habe Angst, dass Putin uns Truppen in den Süden der Ukraine schickt. Es ist für uns alle dort einfach schrecklich derzeit", sagt sie. Die Arbeit hier ist zwar mühsam und anstrengend für Olgas Augen, aber sie lenkt sie ab. Und das Zusammenarbeiten mit anderen hier gibt ihr ein Gefühl von Sicherheit, meint Olga.

An diesem Tag haben die Frauen schon ein wichtiges Dokument zusammengeklebt, erzählt Galina: Unterlagen von Kurschenko, einem der ominös reichen Erdgasmagnaten der Ukraine und engen Vertrauten von Janukowitschs Sohn. "Stellen Sie sich vor", sagt Galina entsetzt, "Kurschenko ist gerade mal 28 Jahre alt und wir lesen da, dass er ein Vermögen von mehreren Milliarden Euro hat, dieser Bursche. Wie geht das?" Die Menschen in der Ukraine würden Spitäler oder Schulen brauchen, dort sollte das Geld hinfließen und nicht in die eigenen Taschen, meint Galina. "Wir wollen jetzt endlich, dass die Regierung dem Volk dient. Ich glaube, dass unsere Arbeit hier hilft, auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist."