Ukraine: Nerven vor Referendum angespannt

Auf der Krim läuft die Zeit bis zum umstrittenen Referendum über die Unabhängigkeit von der Ukraine langsam ab: Am Sonntag findet das Referendum statt, eine von vornherein entschiedene "Abstimmung" vor militärischer Drohkulisse. Täglich kommen mehr russische Soldaten auf die Krim, vor der Küste sind bereits fast 400 russische Kriegsschiffe zusammengezogen. Die ukrainische Armee steht dem Aufmarsch ohnmächtig gegenüber.

Mittagsjournal, 12.3.2014

Aus der Ukraine

Eingeschlossen in Kasernen

Die Situation für die ukrainischen Soldaten auf der Krim sei höchst prekär, sagt Ivan Jakubec, ein hoher Militär der ukrainischen Luftwaffe, dessen Rang in etwa unserem Generalmayor entspricht. "Ein enormer psychischer Druck lastet auf unseren Soldaten, die eingeschlossenen in ihren Kasernen sitzen. Noch halten sie den Provokationen durch russische Truppen Stand, kein ukrainischer Soldat hat bisher geschossen. Doch wer weiß, wie lange ihre Geduld noch hält."

Die ukrainischen Soldaten in den Militärbasen in Simferopol, Feodosia, Kerch und Sewastopol sind von Elektrizität und Wasser abgeschnitten. Die Lebensmittel werden knapp. Es gibt Initiativen der Krimtataren, die den eingeschlossenen ukrainischen Soldaten Essen bringen, Brot über die Absperrungen werfen. Die Soldaten ihrerseits versuchen teilweise mit ungewöhnlichen Mitteln, Widerstandsgeist zu demonstrieren, etwa mit Musik und Liedern gegen die Okkupanten vor den Toren anzusingen.

Druck und Versprechungen

Die Strategie der russischen Militärs ist es, möglichst viele ukrainische Soldaten mit Druck und mit Versprechungen zum Überlaufen zu bewegen. Höhere Löhne in der russischen Armee werden geboten. "Unsere Soldaten sind nicht dumm, sie wissen, dass das nur eine Lüge, eine List ist", sagt Ivan Jakubec. Sie würden wissen, dass die russische Seite ihnen nur ein Spielzeug zuwerfe und dann wieder wegziehe. "Bisher stehen die ukrainischen Soldaten dort fest hinter ihrem Eid", so der ukrainische Militär. Wenige sind jedoch laut ukrainischen Berichten übergelaufen, unter ihnen aber auch der ukrainische Marinechef.

Die Spannungen auf der Krim werden in den kommenden Tagen noch steigen, aber es wird nicht geschossen werden, meint Generalmayor Jakubec. "Die ukrainischen Soldaten werden nicht anfangen. Und auch den Russen ist derzeit nicht daran gelegen, zu schießen. Jedenfalls nicht bis zum Wochenende." Denn unter Schießereien könnten sie das sogenannte Referendum nicht durchziehen.

Keine demokratische Entscheidung

Das Krim-Referendum hält Generalmayor Jakubec für illegal. Unter militärischer Bedrohung und mit Waffengewalt könne es keine demokratische Entscheidung geben. "Sie in Österreich wissen das sicher aus ihrer Geschichte", sagt er. Die russische Militärintervention auf der Krim vergleicht er mit dem Einmarsch Nazideutschlands im Sudetenland und dann in Österreich. Er ist sich sicher: "Putin wird auf keinen Fall bei der Krim Halt machen. Das sollte Europa verstehen, wenn es jetzt Position bezieht und Entscheidungen trifft."

Ob die neue ukrainische Führung richtig auf die Krim-Krise reagiert? Die militärische und politische Führung des Landes sollte so schnell wie möglich ein Kontingent ukrainischer Soldaten auf die Krim schicken, das sei seine persönliche Meinung. Das solle allerdings nicht geschehen, um Kriegshandlungen durchzuführen, meint Jakubec, sondern um all jene zu unterstützen, die dort nicht unter russischen Einfluss wollen, und das sind nicht nur die Krimtataren. Das würde die Lage dort verändern und auch die restliche Welt würde diese Krise anders beurteilen, so Jakubec.

Eingreifen der Ukraine ausgeschlossen

Damit spricht Generalmayor Ivan Jakubec aus, was sich viele Ukrainer hier fragen: Warum nicht schon längst Verstärkung auf die Krim geschickt wurde. Doch der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow schloss gestern ein militärisches Eingreifen der Ukraine auf der Krim ausDie ukrainische Armee müsse im Osten zusammengezogen werden, um die Grenze zu Russland zu schützen.