Tschernobyl: 28 Jahre danach

Am Samstag jährt sich zum 28.Mal die Katastrophe im Atomkraftwerk Tschernobyl, damals noch Teil der Sowjetunion, heute in der Ukraine. Die Folgen des bis dato größten Nuklearunfalls sind bis heute zu spüren, vor allem hohe Krebsraten bei Kindern.

Mittagsjournal, 23.4.2014

"Liquidatorin" hat überlebt

Das Gebiet um den Reaktor ist weiterhin Sperrgebiet. Doch die Ereignisse von damals rücken immer mehr in Vergessenheit, die Opfer von damals und jene Menschen, die zu zigtausenden als sogenannte Liquidatoren in der verstrahlten Zone gearbeitet und geholfen haben, wie die Ärztin Natalja Tereschtschenko. 33 Tage lang war sie in der sogenannten "Zone" nur wenige Kilometer vom explodierten Reaktor entfernt, erzählt Nataljya Tereschchenko. Sie wurde zu diesem Dienst eingeteilt, es war ein Befehl, da wurde nicht gefragt, ob man wollte oder nicht. Da hat auch niemand Rücksicht genommen darauf, dass sie zwei kleine Kinder zuhause hatte. "Ich musste einfach meine Pflicht erfüllen", sagt sie. Sie hat damals als junge Ärztin dort die Menschen untersucht, die direkt im Reaktor zu Aufräumarbeiten eingeteilt waren. Die Strahlung am Arbeitsplatz war so hoch, dass sogar das technische Gerät völlig radioaktiv verseucht war. Sie selbst: Jahrelang hatte sie eine Geschwulst, Kopfschmerzen bis zur Bewusstlosigkeit. Dass sie überlebt hat, führt die heute 63-Jährige darauf zurück, dass sie einige Jahre weit weg von Tschernobyl, in Vietnam, in der Natur leben konnte.

Vergessene Opferbereitschaft

Der Arbeit dieser hunderttausenden Liquidatoren, die unter Einsatz ihrer Gesundheit, ihres Lebens in Tschernobyl nach der Katastrophe aufräumten, werde nur mehr wenig gedacht, sagt Natalyja Tereschchenko mit etwas Enttäuschung: " Vom Staat kriegen wir keine positive Aufmerksamkeit mehr, keine Hilfe, keine Unterstützung, unsere medizinischen Behandlungen müssen wir selbst finanzieren. Unser Einsatz wird vergessen."

Sie hingegen wird die Reaktorkatastrophe nie vergessen, obwohl sie damals ein Baby noch war, sagt Lidya Utkina: "Ein Jahr war ich damals alt, da habe ich wohl im Gras gespielt oder bin in den Regen gekommen. Jedenfalls als ich 10 Jahre alt war, hat man Leukämie bei mir festgestellt. Meine Eltern konnten sich eine medizinische Versorgung, die teuren Krebsmedikamente für mich nicht leisten." Nur dank der Organisation Global 2000, die nun seit 18 Jahren mit Spendengeldern die Kinderkrebsabteilung in Karkiv unterstützt, konnte sie behandelt werden und überlebte, erzählt Lidya. Jetzt arbeitet sie als Übersetzerin in Karkiv, Natalya Tereschtchenko arbeitet als Ärztin ebenfalls in Karkiv.

Vom Ost-West-Konflikt verdeckt

Die aktuellen politischen Umwälzungen im Land, das Aufeinanderprallen prorussischer und proukrainischer Positionen im Osten der Ukraine mache ihr sehr zu schaffen, sagt Natalyja: "Ich bin Ukrainerin, aber meine Muttersprache ist Russisch. Das war bisher nie ein Problem. Bei uns in Karkiv leben viele Nationalitäten, Juden, Tartaren, das war ja nie ein Problem. Was sich da jetzt abspielt, ich kann es nicht verstehen."
Es gibt so unterschiedliche Positionen bei uns, sagt Lidya: " Da sind die, die die neue Regierung unterstützen, und dann die anderen. Die fragen sich, warum wir im Osten nicht das tun können, was die auf dem Maidan gemacht haben."

Für Christoph Otto von Global 2000, der in der Ostukraine das Hilfsprojekt für die Tschernobyl-Opfer leidet, wird da ein globaler Konflikt auf dem Rücken der Menschen ausgetragen. Die Medien kümmerten sich hauptsächlich um den Ost-West-Konflikt, und keiner interessiert sich dafür, was das im Inland bedeutet." Eine emotional nur schwer ertragbare Situation, sagt Christoph Otto von Global 2000. Und das kommt noch dazu zu den ohnehin schon massiven wirtschaftlichen Problemen der Ukraine.