Kiew hofft auf Frieden

Am Sonntag stimmen in der Ukraine mehrere Gebiete des überwiegend russisch-sprachigen Ostens über ihre Unabhängigkeit ab. Die Regierung in Kiew versagt der Befragung aber die Anerkennung. Die Menschen in der ukrainischen Hauptstadt fürchten, dass die Ukraine auseinanderbricht. Sie hoffen vor allem auf Frieden.

Mittagsjournal, 10.5.2014

Aus Kiew,

Referendum nicht anerkannt

Das Unabhängigkeits-Referendum im russisch-sprachigen Osten der Ukraine ist äußerst umstritten, da die von bewaffneten Volksmilizen durchgeführte Abstimmung nicht einmal minimalsten demokratischen Kriterien entspricht. Die Regierung in Kiew anerkennt sie denn auch nicht und setzt ihren Militäreinsatz gegen die prorussischen Separatisten fort, auch gestern wurden wieder zahlreiche Tote gezählt. Unterdessen herrscht in Kiew, der Hauptstadt, wo die turbulenten politischen Ereignisse im November des letzten Jahres ihren Ausgang genommen haben, angespannte Ruhe.

Nach der Revolution auf dem Maidan, die im Februar gewaltsam eskaliert ist und Präsident Janukowitsch in die Flucht getrieben hat, hoffen die Menschen immer noch, dass die Ukraine ein demokratisches und unabhängiges Land wird. Ein Land, das nicht auseinanderbricht. Mit dem Abspaltungs-Referendum können die wenigsten Kiewer etwas anfangen, aber alle hoffen auf eines: auf Frieden.

Hoffen auf Demokratie und Ein-Staaten-Lösung

Auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, ist es ruhig. Wo sich im Winter Hunderttausende Demonstranten versammelten, um gegen Präsident Janukowitsch und seine Abkehr vom Europakurs des Landes zu protestieren, sind nur noch wenige Zeltlager übriggeblieben. Die Hoffnung auf eine demokratische Ukraine besteht aber immer noch. Auch darauf, dass sie als ein Staat erhalten bleibt: "Keine Ahnung, wie dieses Referendum im Osten ablaufen soll, ich bin dagegen", sagt Sascha, ein Herr um die 50, den wir unweit vom Maidan treffen. Und warum? "Weil in der Ukraine alle zusammenleben sollen, die Russen, die Ukraine, die Tataren."

"Das Referendum findet nur in ein paar Städten statt, es stimmen höchstens ein paar Tausend Menschen ab. Und es wird von sogenannten Volksgouverneuren veranstaltet, die von niemandem gewählt worden sind", kritisiert auch Vitali, ein junger Verkaufsmanager. Die ostukrainische Bevölkerung wolle sich nicht abspalten, sie werde aufgestachelt: "Es sind Putin-Anhänger, die provozieren. Dabei sollte es auch in Russland längst einen Machtwechsel geben. Aber Putin hat Angst, dass es den Maidan auch in Moskau geben könnte."

Das sieht eine junge Frau anders, die mit Freundinnen in einem Park spaziert. Ihren Namen will sie nicht nennen. Aus Angst, sagt sie, denn wer sich zurzeit prorussisch äußere, lebe gefährlich. Das Abspaltungsreferendum im Osten findet sie legitim: "Alle sollen ihre Meinung sagen dürfen, auch die Menschen im Osten. Dafür muss man sie doch nicht umbringen."

Es sei tragisch, dass zuletzt so viele Menschen sterben mussten, auf dem Maidan und im Südosten des Landes. Die Ukraine sei ein friedliches Land, in dem niemand kämpfen wolle: "man hätte sich nicht von außen einmischen dürfen", sagt die junge Frau und beschuldigt die USA: "Schuld sind die, die Geld und Gebäck auf den Maidan gebracht haben, das war nicht der russische Außenminister. Nicht zufällig gibt es hier überall nagelneue Dollars, schauen Sie nur in den Banken".

Doch wie kann die Ukraine aus der Krise finden? Eine neue Politikergeneration müsse an die Macht, meint Nikolai, ein junger Unternehmer: "ich habe gehört, dass die deutsche Kanzlerin Merkel in einer Zweizimmerwohnung lebt, das finde ich gut. Bei uns gibt es keine guten und bescheidenen Politiker, die für das Volk da sind. Auch in der jetzigen Regierung sind lauter alte Köpfe. Wir brauchen junge, frische, intelligente Leute, die wird es in einem 46 Millionen Einwohner Land ja wohl geben."

Ein politischer Generationenwechsel ist aber nicht in Sicht, wahrscheinlichster nächster Präsident wird der schwerreiche Unternehmer und Langzeitpolitiker Pjotr Poroschenko. Zumindest sei dieser dann legitim im Amt und von allen gewählt, betont Vitali, das werde die Lage beruhigen, doch eigentlich denken in diesen Tagen die Menschen in Kiew nicht an Politik: "Wir erwarten Frieden, sagen Tatjana und Daniil, ein junges Paar: hoffentlich gibt es bald Frieden in unserem Land.