Stimmung in Ostukraine immer düsterer

In der Ostukraine wird die Sicherheitslage immer prekärer. Immer mehr internationale Beobachter und Journalisten verlassen die Stadt Donezk. Die OSZE-Beobachter haben sich in den Nachbarbezirk Dnepropetrowsk abgesetzt, zwei Missionen sind nach wie vor in prorussischer Hand. Immer schwieriger wird auch die Lage bekennender Ukrainer, weil Kiew und die Ukraine medial immer mehr zum Feindbild werden.

Mittagsjournal, 2.6.2014

Aus Donezk berichtet

Allgemeine Angst ums Leben

Der Gottesdienst in der griechisch-katholischen Kirche in Donezk war gestern besonders feierlich. Grund war die Erstkommunion für drei Buben zum Abschluss des Schuljahres. Alle Drei trugen das reich bestickte weiße Hemd der ukrainischen Tracht und wurden vom Priester vor dem Eingang in die Kirche empfangen. Trotzdem bevölkerten die Kirche aber nur weniger Gläubige als bei derartigen Anlässen üblich. Dazu sagt Vater Wasil Pantiluk: "Es kommen jetzt weniger in die Kirche, und zwar aus zwei Gründen; erstens haben die Ferien schon begonnen; und zweitens gibt es die Kriegshandlungen, die auch dazu führen, dass die Eltern mit ihren Kindern wegfahren. Es gibt eine allgemeine Angst um das Leben; weil ein Menschenleben nichts wert ist, wenn man hört, dass einem Scharfschützen das Leben eines Soldaten 100 US-Dollar und das eines Offiziers 1000 US-Dollar einbringt. Die Menschen wollen keinen Krieg."

Die griechisch-katholische Kirche ist eine orthodoxe Kirche, die aber das Primat des Papstes anerkennt. Sie ist ein starker Träger der ukrainischen Identität. Ukrainisch ist derzeit in Donezk noch ungeliebter als früher, wie die Religionslehrerin Tatjana Mikolajewna selbst erlebt hat: "Im Autobus hat mich jüngst eine Frau als Faschistin bezeichnet, weil ich Ukrainisch gesprochen habe. Ich habe ihr ruhig erwidert, dass ich aus Donezk stamme und erklärt, dass wir jedes Jahr in die Westukraine fahren, und dass uns dort niemand daran hindert, russisch zu sprechen. Sie hat dann auch ruhig reagiert. Ich selbst spreche zu Hause russisch, weil meine Eltern russisch sprechen. Doch wir leben in der Ukraine und wir müssen unsere Staatssprache können, und das gilt auch für unsere Kinder." Auch deren Zukunft wird immer unsicherer.

Flüchtlingswelle in die EU?

Eine friedliche Lösung in der Ostukraine ist nicht in Sicht, die Unsicherheit wird immer größer und die Wirtschaftslager immer schlechter. Dazu sagt nach dem Gottesdienst die russisch-sprechende Galina: "Mehr als die Hälfte der Betriebe in Donezk stehen still. Die Menschen sind sich nicht wirklich bewusst, was geschieht, denn es herrscht ein Informationskrieg und die Nachrichten sind widersprüchlich. Ich war in einem Kloster des Moskauer Patriarchats. Dort sind alle für die Volksrepublik von Donezk, obwohl keiner von deren Führern und deren Programm eine Ahnung hat. Die Menschen verstehen auch nicht, dass die Abspaltung von Donezk und Lugansk von der Ukraine einen wirtschaftlichen Zusammenbruch bedeuten würde."

Trotz der düsteren Aussichten will Galina, die Mutter eines 14jährigen Buben, nicht wegziehen: "Ich fühle nicht, dass meine Familie hier sicher ist, doch ich bereite mich nicht darauf vor, wegzugehen. Das ist hier meine Heimat." Doch viele denken anders; sollte es zum Schlimmsten kommen, könnte sich die EU auf eine neue Flüchtlingswelle einstellen müssen.