Italien übernimmt ab morgen EU-Präsidentschaft

Mit Italien übernimmt am 1. Juli ein Euro-Krisenland die Präsidentschaft der EU. Durch die Krisenjahre ist in Italien die EU-Skepsis gewachsen doch Neo-Premier Matteo Renzi ist mit dem Versprechen angetreten, die EU in den kommenden sechs Monaten zu einem Kurswechsel zu drängen.

Mittagsjournal, 30.6.2014

Es war riskant, inmitten der Krisenstimmung einen ausgesprochen pro-europäischen Wahlkampf zu führen. Matteo Renzi hat es gewagt und gewonnen. Und wenn damals über vierzig Prozent der Wähler darauf vertraut haben, dass er Italien reformieren und Brüssel mehr Flexibilität abringen kann, dann sind die Erwartungen in ihn jetzt noch größer geworden - was eine kleine Umfrage im Regierungsviertel bestätigt:

Man spürt eine Welle des Optimismus - sagen zwei pensionierte Lehrerinnen, die bisher Berlusconi gewählt haben. Ich glaube an Renzi, gesteht der zwanzigjährige Kellner Vincenzo: Er hat den Kleinverdienern die Steuern gesenkt, er hat die Managergehälter gekürzt - kann sein, dass er auch die EU zum Umdenken zwingt.

Investieren. Arbeitsplätze schaffen, statt sparen - das hat für alle Vorrang. Vor allem eine Lockerung der starren Defizit-Regeln. Wir brauchen Entwicklung. Der Sparkurs erstickt jedes Wachstum, sagt ein Unternehmer, der überzeugt ist, dass auch das strenge Deutschland das nun eingesehen hat.

Renzi hat seinen Landsleuten klargemacht, dass die EU-Partner nur nachgeben werden, wenn Italien selbst glaubwürdig Reformen umsetzt: Für Italien ist es die letzte Chance. Hoffentlich gelingt es den üblichen Lobbys nicht, wieder alles zu blockieren.

Italien hat nach Griechenland den größten Schuldenberg und einen Reformstau von zwanzig Jahren. Dennoch macht sich ein neues Selbstbewusstsein breit. Ein Arzt aus Sizilien erklärt: Jetzt können wir Frau Merkel sagen: schau, wir haben jetzt klare Vorstellungen, wir wollen uns verändern und werden es sicher schaffen.

Noch ein Thema liegt den Leuten am Herzen: die Flüchtlinge, die übers Mittelmeer kommen. "Es ist eine zu große Belastung für uns Italiener!" sagt eine Beamtin. "Es ist richtig, diese armen Teufel aufzunehmen, aber wirtschaftlich übersteigt es unsere Kräfte."

Richtig, sagt ihr Begleiter: "Es kann nicht sein, dass Europa uns Opfer abverlangt, und zugleich erwartet, dass wir für die Flüchtlinge aufkommen. Das Problem betrifft alle und muss von allem getragen werden.“

Zu diesem Thema bekommt man freilich auch in Italien zunehmend fremdenfeindliche Töne zu hören. Aber auch hier traut man Matteo Renzi zu, sich in Brüssel durchzusetzen. Selbst die Berlusconi-Wählerinnen, hoffen, dass es ihm gelingt: Wir warten ab, sagen sie. Noch hat er unser Vertrauen.