WIFO-Experte: Agrarlobby als Hebel für Putin
Für Österreichs Landwirte hat Russland als Absatzmarkt in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, sowohl für Agrarprodukte als auch Schweinefleisch. Was bedeuten nun die Sanktionen für die österreichische Landwirtschaft? Und warum hat Moskau gerade den Agrarsektor für seine Gegensanktionen gewählt?
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 8.8.2014
Starke Agrarlobby
Viele kleine Nadelstiche, die Nadeln sind unterschiedlich spitz - so nennt Karl Sinabell, Agrarexperte im Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), die russischen Sanktionen. Dass es gerade die Landwirtschaft trifft, sei kein Zufall: "Die Agrarwirtschaft, die Agrarindustrie ist eine starke Interessensgruppe, und die Versuche sind, diese Interessensgruppe als Hebel für andere politische Zwecke zu benutzen."
Die Landwirtschaft hat also eine starke Lobby - aber die einzelnen Länder sind da innerhalb der EU unterschiedlich stark. Genau darum dürfte es gehen, sagt der WIFO-Experte: "Es werden vor allem jene Länder getroffen, mit denen Russland unterschiedliche Auffassungen hat. Das sind eben die ehemals zum Ostblock gezählten Länder der EU. Und durch die räumliche Nähe, aber auch durch das Sortiment der Agrarprodukte, die von diesen Ländern exportiert werden, sind diese Länder ganz besonders betroffen."
Kommt jetzt der Apfelkrieg in der EU?
Illustrieren lässt sich das anhand des Apfelmarktes: Russland war mit einer Million Tonnen pro Jahr lange der zentrale Abnehmer für Äpfel aus Polen. Diese Äpfel sind traditionell viel kleiner als etwa solche aus Österreich oder Italien. Polen darf schon seit ein paar Monaten nicht mehr liefern und muss sich Ausweichmärkte suchen: "Wenn nun eher kleinere Äpfel auf den europäischen Markt kommen, so drückt das auf die Produzenten, die in diesem Segment aktiv sind. Das heißt, es trifft bestimmte Agrarproduzenten in Europa", etwa in der Slowakei. Dort spricht man schon von einem drohenden Apfelkrieg.
Russland muss sich nun neue Lieferanten suchen, das wird den gesamten Markt verändern, sagt der WIFO-Experte, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Die Gewinner seien nicht-europäische Agrarexporteure, denen sich nun Chancen auf dem russischen Markt eröffnen. Was bedeuten die Sanktionen für die österreichischen Landwirte? Für die gesamte Landwirtschaft insgesamt gebe es kaum Veränderungsbedarf. Die Strategie, den Markt in Hochpreisbereichen auszubauen, sei weiterhin richtig. Einzelne Exporteure werde es aber hart treffen. "250 Millionen Euro Exportvolumen sind eine erkleckliche Menge." Österreich müsse nun also versuchen, die Handelsströme umzulenken, also neue Märkte zu suchen, um die Verluste in Grenzen zu halten.