Israel vor Neuwahlen

In Israel gelten Neuwahlen als unvermeidlich – stark vorgezogene Neuwahlen, denn regulär müsste die aus rechten und Zentrumsparteien gebildete Regierung unter Benjamin Netanjahu noch weitere drei Jahre im Amt bleiben. Aber schon nach den letzten Wahlen im vorigen Jahr war es klar gewesen, dass die Koalition sehr wackelig sein würde – die Bildung einer stabilen Regierung mit klarem Auftrag hatte der Ausgang nicht zugelassen. Und eine Erneuerung ist auch nach den kommenden Wahlen nicht zu erwarten – denn der Premier wird wahrscheinlich wieder Netanjahu heißen.

Mittagsjournal, 2.12.2014

Aus Israel,

Erst ganze 19 Monate ist Israels Mitte-Rechts-Regierung im Amt – jetzt sind sich die Koalitionsparteien in einem Punkt einig: sie können nicht mehr zusammenarbeiten. In der Nacht auf heute gab es einen letzten Überbrückungsversuch, aber bei dem Vieraugengespräch zwischen Premier Benjamin Netanjahu und Finanzminister Yair Lapid ist nichts anderes herausgekommen als gegenseitige Schuldzuweisungen. Sie sind die Chefs der beiden größten Regierungsparteien, des rechtskonservativen Likud einerseits und der liberalen Partei mit dem Namen „Es gibt eine Zukunft“ andrerseits. Gestritten hatte man ja von Anfang an – zuletzt ging es hauptsächlich um das Budget für 2015, Differenzen gab es aber auch bei der Außenpolitik und wegen eines geplanten „Nationalitätsgesetzes“, das Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes definieren soll. Gewählt wird jetzt wahrscheinlich im März – regulär wären Wahlen erst im November 2017 fällig.

Finanzminister Lapid hatte sich zuletzt darüber beklagt, dass Netanjahu über die brennenden Probleme nicht mehr mit ihm sprechen würde: In allen kritischen Angelegenheiten Israels steckt alles fest, und der Premierminister schaut zu - das Wohnungswesen steckt fest, das Budget steckt fest, unsere Bemühung, für die Bürger Sicherheit zu schaffen, steckt fest, unsere internationalen Beziehungen sind in einem Absturz, wie es ihn noch nie gegeben hat.

Netanjahu wiederum beklagt sich, dass Minister seiner eigenen Regierung ihn in der Öffentlichkeit angreifen – es gab ja anscheinend sogar Versuche, Netanjahu ohne Neuwahlen als Regierungschef zu stürzen: Ich fordere von allen Ministern, die Untergrabungsversuche und Angriffe zu stoppen, und gemeinsam die richtige Politik für den Staat zu machen – für die Sicherheit, gegen die Teuerung – wenn sie das nicht wollen, müssen wir uns an den Wähler wenden.

Netanjahu soll dem Koalitionspartner Lapid ein Ultimatum gestellt haben. Der Finanzminister müsse etwa auf eine umstrittene Mehrwertsteuerreform verzichten, die Wohnungen für junge Paare verbilligen soll, und er müsse dem „Nationalitätsgesetz“ zustimmen. Für Lapid sind diese Bedingungen nicht annehmbar.

Bei den letzten Wahlen war einfach ein Ergebnis herausgekommen, das die Bildung einer harmonischen Koalition gar nicht zugelassen hatte. In der jetzigen Regierung sitzen zwar keine strengreligiösen Parteien, aber weit rechts stehende, siedlernahe Fraktionen sind mit moderaten Zentrumsparteien zusammengespannt. Und das Problem ist halt, dass auch Neuwahlen wahrscheinlich nicht viel verändern und das Land nicht leichter regierbar machen werden. Als wahrscheinlichster Ausgang gilt, dass Netanjahu Premier bleibt, aber diesmal eine Koalition mit den Strengreligiösen bilden wird.

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