Neue Erzählungen von Mircea Cartarescu

"Die schönen Fremden", im Original bereits vor sechs Jahren erschienen, ist in Rumänien eines von Mircea Cartarescus erfolgreichsten Büchern. Jetzt ist das sehr unterhaltsame und doch auch tiefgründige Werk auf Deutsch erschienen. Heue Abend präsentiert es der Autor in der Alten Schmiede in Wien.

Morgenjournal, 10.3.2016

Cartarescu ist einer der bedeutendsten rumänischen Schriftsteller unserer Zeit. Sein Werk, das Gedichte, Erzählungen und Romane umfasst, darunter die monumentale "Orbitor"-Trilogie, wurde mehrfach ausgezeichnet. Der zuletzt erschienene Band enthält drei Erzählungen.

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Mircea Cartarescu, "Die schönen Fremden", Erzählungen, aus dem Rumänischen von Ernest Wichner, Paul Zsolnay Verlag
Originaltitel: "Frumoasele straine"

Der Autor stellt sein Buch heute, am 10. März um 19 Uhr, in der Alten Schmiede in Wien vor.

"Es hat sich wenig verändert"

Ein rumänischer Schriftsteller bekommt Post aus Dänemark, was ihm spanisch vorkommt. Es ist die Zeit der Anthrax-Hysterie, des Milzbranderregers, und der Schriftsteller, der keine Dänen kennt, außer Hamlet, wähnt sich als Ziel eines Briefattentats. Also marschiert er ins Bukarester Polizeipräsidium - und erlebt den ganz normalen Wahnsinn der postsozialistischen Bürokratie: stundenlanges Warten, gelangweilte Beamte, die auf ihre Vorgesetzten verweisen, wiederholtes Ausfüllen von Anträgen. Während die Behörde trödelt, überschlägt sich die Presse - und titelt "Cartarescu mit Anthrax angegriffen", was dem gerade nicht besonders angesagten Schriftsteller durchaus schmeichelt. Und sich doch als Falschmeldung entpuppt: Am Ende aller absurden Verwirrungen entpuppt sich der Brief als Werk eines durchgeknallten Mail-Art-Künstlers.

"Alles, was hier als Realität beschrieben ist, habe ich genauso erlebt", sagt der Autor: "Und auch wenn das schon ein paar Jahre zurückliegt, es könnte heute genauso passieren. Von der abstrusen Bürokratie, wie sie Caragiale, ein rumänischer Dichter der Jahrhundertwende, beschrieb, bis hin zu jener in unseren Tagen hat sich wenig geändert."

Ironischer Blick auf Schriftstellerexistenz

Mircea Cartarescus neues Buch mit dem Titel "Die schönen Fremden" erzählt von Mircea Cartarescu, als jungem Dichter, als paranoidem Autor, als "Botschafter" Rumäniens: drei äußerst amüsante Erzählungen, die den selbstironisch-kecken Blick auf die eigene Schriftstellerexistenz mit einer Satire auf den Literaturbetrieb verbinden.

"Ursprünglich war es nicht meine Absicht, Satiren zu schreiben", erklärt Cartarescu: "Ich wollte nur die Leser auf humorvolle Weise unterhalten und zum Lachen bringen. Wenn man aber versucht, humoristisch zu schreiben und sich auf diese Weise der Wirklichkeit zu nähern, gerät man schnell ins Gesellschaftskritische, vieles wirkt dann schräg oder grotesk und mehr als nur humorvoll."

Schräg und grotesk, so liest sich die Geschichte, die von dem jungen Cartarescu erzählt, der einer Einladung zu einer Dichterlesung in die Provinz folgt, der sich Ruhm und Erfolg ausmalt, üppige Festbankette und ergriffene Verehrerinnen - und ein Fiasko erlebt, eine alptraumhafte Reise durch die Nacht mit schmierigen Schriftstellerkollegen. Genauso absurd-komisch: die Titelerzählung. "Die schönen Fremden" sind zwölf rumänische Schriftsteller, die durch Frankreich tingeln und dabei einem von kultureller Rückständigkeit und pittoresker Hirtenfolklore geprägtem Rumänienbild begegnen.

"Die Politik propagiert archaische Tradition"

"Das, was hier als das spezifisch Rumänische erscheint, ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert und müsste längst erledigt sein, wird aber von der offiziellen Kulturpolitik auf monströse Weise weitertradiert", erklärt Cartarescu. "Man will noch immer ein folkloristisches Bild von Rumänien vermitteln. Dabei war die rumänische Kultur des 20. Jahrhunderts eine sehr moderne, man denke nur an den Dadaismus oder die rumänische Bauhausarchitektur. Doch weil die Politik diese archaische Tradition propagiert, sehen wir Schriftsteller im Ausland uns häufig damit konfrontiert, dass wir Auskunft geben müssen über Dinge, die uns nie interessiert haben, die uns nur wütend machen und kompromittieren in der Welt."

"Die schönen Fremden", im Original bereits vor sechs Jahren erschienen, ist in Rumänien eines von Mircea Cartarescus erfolgreichsten Büchern. Jetzt ist das sehr unterhaltsame und doch auch tiefgründige Werk auf Deutsch erschienen - und vielleicht imstande, das eine oder andere Rumänienklischee heiter zu unterlaufen.