Owen beim Malen

THOMAS BERGMANN/POLYFILM VERLEIH

Dokumentarfilm

"Life, Animated" - Mit Disneys Klassikern zurück ins Leben

Im Alter von drei Jahren erkrankte Owen Suskind an regressivem Autismus, hörte auf zu sprechen und zog sich völlig in sich zurück. Der Oscar-nominierte Dokumentarfilm "Life, Animated" zeigt, wie er ausgerechnet mit Hilfe von Disneys Zeichentrickklassikern erneut lernte, mit der Außenwelt zu kommunizieren.

Morgenjournal, 04.07.2017

Animierte Figuren mit animierenden Stimmen

Owen sei einfach verschwunden, von einem Tag auf den anderen sei von dem Dreijährigen so wie er ihn gekannt hatte, nichts mehr übrig gewesen. So beschreibt Ron Suskind im Film den Krankheitsausbruch bei seinem Sohn. Jahrelang war keinerlei Kommunikation mit Owen möglich, der seine Tage zumeist vor dem Fernseher verbrachte und seine geliebten Disney-Filmen schaute. Bis die Familie eines Tages durch Zufall bemerkte, dass Owen in die Rolle von Disney-Figuren schlüpfte und mit deren Worten kommunizierte.

Zeichnung von Owen

POLYFILM VERLEIH

Zeichnung von Owen

Ron Suskind: "Owen hat schließlich unsere ganze Familie in die Rollen von Disney-Figuren gesteckt. Allerdings nicht in die Rolle der Helden: Ich bin kein Held, ich bin der Kumpel des Helden, hat er immer gesagt, denn auf die Kumpel kommt es an. Nur durch sie findet der Held an sein Ziel."

Zwischen George W. Bush und dem König der Löwen

Ron Suskind hat als Journalist für die "New York Times" und das "Wall Street Journal" gearbeitet. Für seine Sozialreportagen hat er 1995 den Pulitzer-Preis gewonnen, später veröffentlichte er Bücher über die Bush- und Obama-Präsidentschaft. Ron Suskind: "Während der letzten zwanzig Jahre geschah es immer wieder, dass ich tagsüber einen Präsidenten interviewt und abends mit meinem Sohn Disney-Szenen nachgespielt habe. Und die abendlichen Gespräche kamen mir oft wirklicher vor als die untertags."

Lebbare Geschichten

Eineinhalb Jahre lang begleitete der Dokumentarfilmer Roger Ross Williams Owen und seine Familie. Beim Dreh war Owen Anfang zwanzig, hatte gerade seine erste Freundin und war im Begriff in eine betreute Wohngemeinschaft zu ziehen. "Life, animated" beobachtet Owen bei seinem Weg in die Selbständigkeit, versucht gleichzeitig aber auch, die Welt durch seine Augen und damit durch die Augen von Disney-Figuren zu zeigen.

Als Ron Suskind damals begriff, wie Owen sich die Welt mittels seiner Lieblingsfilme erklärte, fiel ihm auf, wie den Politikern weltweit die Vorstellungskraft abhandengekommen war. Während die großen politischen Führer der Geschichte noch alle Zukunftsbilder entworfen hatten, die so lebendig waren, dass man sich darin bewegen konnte.

Ron Suskind: "Barack Obama hat mir 2011 in einem ziemlich hart geführten Interview im Weißen Haus gestanden, dass ihm seine Geschichte abhandengekommen sei. Ich bin nicht wegen meiner Haltung im Irak-Krieg oder zur sozialen Sicherheit Präsident geworden, meinte er damals, sondern weil ich den Menschen gesagt habe, wer sie sind und in welche Richtung unser Land gehen soll. Aber diese Geschichte, die ich als Kandidat erzählt habe, ist mir später während meiner Präsidentschaft verloren gegangen."

Ganz pathosfrei ist "Life, animated" nicht, das verzeiht man dem Film aber gerne, weil er es schafft mit einigen Vorurteilen in Sachen Autismus aufzuräumen und zeigt, welche Potentiale eine Geschichte entfalten kann, wenn sie nur am richtigen Ort und zur richtigen Zeit erzählt wird.

Gestaltung

  • Wolfgang Popp