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ORF/JOSEPH SCHIMMER

Klang östlicher Rosen

Friedrich Rückert und die Musik

Wie gelingt es, sich in Zwischenräumen zu entfalten? Diese Frage könnte sich Friedrich Rückert sein ganzes Leben lang gestellt haben, denn er war ein gelehrter Dichter und ein dichtender Gelehrter. Genau dieser - nicht auf den ersten Blick erkennbare - Zwiespalt machte ihn aber zu einem Brückenbauer zwischen "westlicher" und "östlicher" Poesie und zu einer Inspirationsquelle für Komponisten.


Wie gelingt es, sich in Zwischenräumen zu entfalten? Diese Frage könnte sich Friedrich Rückert sein ganzes Leben lang gestellt haben, denn er war ein gelehrter Dichter und ein dichtender Gelehrter. Genau dieser - nicht auf den ersten Blick erkennbare - Zwiespalt machte ihn aber zu einem Brückenbauer zwischen "westlicher" und "östlicher" Poesie und zu einer Inspirationsquelle für Komponisten.

Arabisch in sechs Wochen

Geboren wurde Friedrich Rückert 1788 in Schweinfurt, der "lieben Stadt mit dem garstigen Namen", wie er zu sagen pflegte. Schon bald sollte sich herausstellen, dass er ein Genie war. Im Laufe seines Lebens eignete er sich circa 50 Sprachen an, aus denen er imstande war zu übersetzen. Arabisch lernte er in sechs Wochen, als er auf der Durchreise in Wien haltmachte, um bei Joseph von Hammer-Purgstall Unterricht zu nehmen. Auch Hammer war ein Brückenbauer, regte doch seine Übersetzung der Gedichtsammlung "Diwan" des persischen Dichters Hafis Goethe zu seinem "Westöstlichen Divan an.

Während sich Goethe von Hafis Dichtung in den Orient entführen ließ, reizte Rückert die Nachahmung der speziellen, weil durchgängigen Reimform des Ghasels. An den Verleger Cotta schickt er seine "Curiosa, Persica", die er "ein Gegenstück zu Goethes Divan" nennt, "nur ist bei diesem der Geist die Hauptsache, bei meinem die Form, sodass, wer Goethes Geist und meine Form zusammennimmt (...), sich, ohne Persisch zu kennen, einen ungefähren Begriff von persischer Poesie wird machen können".

Friedrich Rückert

REPRODUKTION RADIG

Friedrich Rückert

Schumann folgte Goethes Rat

Darin spiegelt sich Rückerts Vision, quasi einen Thesaurus von Weltpoesie in deutscher Sprache zu erschaffen. Diese Sammlung wurde 1821 unter dem Titel "Östliche Rosen" gedruckt, und es war Goethe, der sie mit den Worten bewarb: "Und so kann ich denn Rückerts Lieder allen Musikern empfehlen."

Einer, der sich diese Empfehlung zu Herzen nahm, war Robert Schumann. Mit mehr als 50 vertonten Liedern ist Rückert dessen klarer Dichterfavorit. Schumann bezeichnete Rückert als "großen Musiker in Worten und Gedanken", der den "wirklichen Musikern leider oft gar nichts hinzuzufügen übrig lässt".

1844 kam es zu einer Begegnung der beiden, die bald darauf in der Musik Nachhall fand. Unter den vertonten Werken waren auch Liebesgedichte. Und wie Robert für Clara komponierte, so auch sie für ihn. Und wieder entfaltete sich Rückert in einem Zwischenraum, jenem der Liebe. Nicht nur im Hause Schumann tauscht man mit Rückerts Versen Liebesgrüße aus und lässt sich von seinen Übersetzungen zu Instrumentalwerken inspirieren. Die "Makamen des Hariri", mittelalterliche arabische Eulenspiegeleien, sind in Schumanns Vertonung für vier Hände auf zwei Klavieren ebenso anspruchsvoll wie der Text, den Rückert nur mithilfe eines mühsam abgeschriebenen arabischen Wörterbuches meisterhaft übersetzte.

Auch bei Schubert klingt ein Rückert’scher Gruß als Lied in ein Instrumentalstück, eine "Fantasie für Violine und Klavier (D 934)", hinein. Wie im "Forellenquintett" oder der "Wandererfantasie" in Form von Variationen.

Zum Trotz der Ferne, die sich feindlich trennend
Hat zwischen mich und dich gestellt;
Dem Neid der Schicksalsmächte zum Verdrusse
Sei mir gegrüßt.

Die Schicksalsmächte waren Friedrich Rückert nicht immer hold. Als er 1833 "seine beiden liebsten und schönsten Kinder" verlor, schrieb er in seinem Schmerz mehr als 400 Kindertotenlieder im Gedenken an die beiden. Gustav Mahler vertonte fünf davon. Seine Frau Alma war entsetzt, "dass man den Tod von Kindern besingen kann, wenn man sie eine halbe Stunde vorher, heiter und gesund, geherzt und geküsst hat!"

Friedrich Rückert verarbeitete schreibend das Leben und die Welt. Als gelehrter Dichter gelang es ihm, die Seele und die Welt singbar zu machen, als dichtender Gelehrter vermochte er, "die Geister zu belauschen, wie wandelnd unsichtbar sie Wortgewande tauschen". Fremdes und Eigenes verbanden sich in seinem Werk. Das "Doppelleben" seiner Seele machte ihn zum rastlosen Wanderer zwischen Wissenschaft und Dichtung, worüber er manchmal zu resignieren schien. Doch letztlich war es jener Zwischenraum, der ihn zur Muse der Komponist/innen machte.

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