THIMFILM
Asghar Farhadi
"Todos lo saben" mit Javier Bardem und Penelope Cruz
Asghar Farhadi ist eine der prominentesten Stimmen im iranischen Kino der Gegenwart. Mit "Todos lo saben", zuletzt Eröffnungsfilm von Cannes, hat er seinen ersten spanischsprachigen Film gedreht - mit Javier Bardem, Penèlope Cruz oder Ricardo Darin in den Hauptrollen.
26. Oktober 2018, 02:00
Für "Nader und Simin" und für "The Salesman" wurde Farhadi jeweils mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. "Todos lo saben - Everybody Knows" kommt nun unter dem deutschen Titel "Offenes Geheimnis" in die Kinos.
Morgenjournal | 25 09 2018
Kulturjournal | 25 09 2018 | Interview mit Asghar Farhadi
Trügerische Idylle
Gewalt und Zärtlichkeit - zwischen diesen Polen bewege sich sein Kino, so Asghar Farhadi. Genau dazwischen spannt auch die Handlung von "Todos lo saben" auf: Laura, gespielt von Penelope Cruz, reist zu einer Hochzeit in ihre spanische Heimat - das Familientreffen als große Fiesta, mitreißende Folklore. Doch die Idylle trügt, denn Farhadi stürzt die feiernde Großfamilie bald in ein tiefes Loch. Ein Mädchen wird entführt; Erinnerungen an einen alten Entführungsfall werden wach.
Zur Vorbereitung auf den Dreh hat Farhadi mehrere Monate in Spanien gelebt. Spanischlehrer haben ihn zum Set begleitet, und am Ende habe man vergessen, dass ein iranischer Regisseur das Ensemble dirigiert, sagt Penelope Cruz. Und tatsächlich fühlt sich dieser Film wie die Arbeit eines europäischen Regisseurs an, der aus Europa heraus erzählt. Das zu erreichen sei die große Herausforderung bei diesem Projekt gewesen, sagt Farhadi.
Ein Balanceakt
"Auf keinen Fall sollte es sich wie der Film eines Außenstehenden anfühlen. Ich habe mich in der Geschichte auf die universellen Dinge konzentriert; wenn es um Gefühle geht, gibt es keine kulturellen Unterschiede. Bei den kulturellen Eigenheiten war dann das gesamte Team involviert. Es war ein Balanceakt, Klischees zu vermeiden und zugleich einen Tonfall zu finden, der sich echt anfühlt."
Je tiefer die Brüche innerhalb der Familienstruktur werden, desto klarer wird dann auch die Handschrift des iranischen Filmautors erkennbar. Wir zuletzt in "The Salesman" ist es Gewalt von außen, die das scheinbar intakte soziale Gefüge in sich zusammenbrechen lässt. Gegenseitiges Vertrauen schwindet, alte Geheimnisse werden ans Tageslicht befördert, alte Wunden werden aufgerissen und Anschuldigungen immer direkter formuliert.
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Empathie statt Urteil
Wie in seinem Familiendrama "Nader und Simin" begleitet Farhadi die Figuren dann durch die moralischen Konflikte ohne zu urteilen, fordert stattdessen Empathie für jede einzelne von ihnen ein. Was dabei fehlt ist die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Farhadi in seinen iranischen Produktionen den gesellschaftspolitischen Kontext fast intuitiv in die Dramaturgie eingeflochten hat. Hier sind Jugend und Perspektivlosigkeit Eckpfeiler, die in die Handlung einwirken. Mit den Schauspielstars, die zwar im Ensemble Farhadi folgen, aber dann doch immer wieder dem Maestro den Taktstock aus der Hand zu nehmen scheinen.