Horst Pirker

APA/HERBERT NEUBAUER

Inserate

Ein Verleger outet das System

Horst Pirker hat sich nicht zum ersten Mal zur Praxis der Inseratenvergabe durch die öffentliche Hand geäußert. Als es Ende 2018 zu einem öffentlichen Schlagabtausch zwischen den Familien Fellner und Dichand kam - es ging um einen Vergleich Fellners mit den Wiener Linien, im Streit um die Aufstellung der Entnahmeboxen für seine Gratiszeitung in der U-Bahn - da hat Pirker im Magazin "News" selber in die Tasten gegriffen.

"Du kriegst viel Geld, also sei schön artig. Oder umgekehrt: Ich bin artig, aber dafür möchte ich möglichst viel Geld haben." So hat es Pirker damals im #doublecheck-Interview auf den Punkt gebracht, das Verhältnis zwischen vor allem den Boulevard-Medien und der Politik. Die sieht die Reichweite von "Kronen Zeitung", "Heute" und "Österreich" – und alimentiert diese überproportional, wie Horst Pirker das nennt. Er plädiert seit Jahren für eine gesetzliche Grundlage für die Vergabe von öffentlichen Geldern an Medien – ein Drittel für Kleine, ein Drittel nach Reichweite, ein Drittel nach Qualitätskriterien.

Horst Pirker im #doublecheck-Interview mit Stefan Kappacher.

Kurz als Faymann zur x-ten Potenz

Damals ging es um die SPÖ Wien, wo nicht nur der spätere Bundeskanzler Werner Faymann das Füttern des Boulevards mit Inseratengeldern gelernt hat. Was ist für Pirker der Unterschied zwischen dem System Faymann und dem System Kurz? "Einfach die Professionalität. Faymann hat das damals in eine neue Dimension gebracht, von der Intensität und der Menge her, aber unter Sebastian Kurz ist das noch einmal um eine x-fache Potenz verstärkt worden." Und professionalisiert, weil es ja die berühmte Message Control gebe. "Je nach Zählart zwischen 50 und 100 Mitarbeiter, die nur Medienbeobachtung machen."

Eine Spielart der Orbanisierung

Für Pirker ist das System Kurz eine "Spielart der Orbanisierung". Der Zugriff auf die Medien sei ein wichtiger Punkt der Macht-Zementierung durch Viktor Orbán in Ungarn gewesen. Der habe freilich den Großteil der Medien über Strohmänner aufgekauft und auf Linie gebracht, das sei in Österreich natürlich nicht der Fall. "Kurz bedient die Medien-Landschaft aber durch regelmäßige Zahlungen, er erspart sich sozusagen den Kauf, den er nicht über Steuergeld organisieren könnte." Die wettbewerbsverzerrende und existenzbewahrende Alimentierung vor allem der Boulevard-Medien könne Kurz aus Steuergeld finanzieren. Pirker: "Das halte ich für einen groben Missbrauch."

Inseraten-Stopp als Bestrafungsaktion?

Vor diesem Hintergrund machte Pirker öffentlich, dass das vom Kanzler-Vertrauten Gernot Blümel geführte Finanzministerium seiner VGN-Medienholding – in der Magazingruppe erscheinen "News", aber auch "trend", "Woman" und "TV-Media" – den Stopp aller Inserate verkündet habe. Auslöser sei angeblich eine Aufmacher-Geschichte im "News" mit dem Titel "Message-Control: So mies geht's Türkis".

Finanzministerium dementiert subtil

Das Ministerium hat per Aussendung dementiert, sich allerdings auf ein Storno bezogen, das der Verlag gar nicht behauptet hat. Der Finanzminister selbst hat die Sache dann mehr ins Lächerliche zu ziehen versucht und in der ZIB2 gesagt: "Wenn diese Vorgangsweise gewählt würde, jedes Mal bei schlechter Berichterstattung die Öffentlichkeitsarbeit einzustellen, dann gäbe es keine Öffentlichkeitsarbeit mehr in den letzten Monaten – und das ist nicht der Fall."

"Keine Hinweise auf neue Überlegungen"

Verleger Pirker – er war früher Chef der Styria-Gruppe, ein Medienunternehmen mit konservativ-kirchlichem Hintergrund - bleibt dabei. Das sei eine Bestrafungsaktion pro futuro: "Tatsächlich handelt es sich um einen angekündigten Inseraten-Stopp, und ich gehe davon aus, dass der auch durchgezogen wird." Man habe keine Hinweise, dass hier eine Neuüberlegung angestellt worden sei, so Horst Pirker. Er steht dazu, seine Wahrnehmung öffentlich gemacht zu haben.

Ist die Wahrheit dem System zumutbar?

Pirker will diese Praxis für sein Haus abstellen, Thema sei das aber in allen Medienhäusern, sagt er. Sollen die anderen Verlage seinem Beispiel folgen und Druckausübung seitens der Politik ebenfalls outen? Pirker: "Das muss jeder für sich selbst entscheiden, ob das gescheit ist oder nicht. Was wir gesagt haben, ist jedenfalls die Wahrheit." Ob die Wahrheit dem österreichischen System zumutbar sei oder nicht, diese Frage müsse jeder für sich beantworten. Für viele sei das eine existenzielle Frage, weil sie die Regierungsinserate dringend brauchen. "Wir halten diese offene Kommunikation gut aus, wir wissen, dass uns das wirtschaftlich nicht bedroht."

"News" schreibt nach Jahren schwarze Zahl

Dabei war die Magazin-Gruppe ein Sorgenkind, Pirker ist einen harten Sanierungskurs gefahren. Heute sagt er: "Wir gehören jetzt sicher im Verhältnis zu unserer Größe zu den profitabelsten Medienunternehmen des Landes. Auch die Marke "News" hat sich sukzessive stabilisiert und wird heuer mit Sicherheit eine schwarze Zahl schreiben." Es werde eine bescheidene Zahl sein, aber eben erstmals seit vielen Jahren kein Verlust, sagt Pirker. Er will "News" jetzt inhaltlich "weiter hochziehen", wie er sagt. Durch gezielte Investitionen in die Redaktion, um das Blatt zielgruppengenau zu festigen und relevant zu machen.

Service

"Du kriegst Geld also sei schön artig" - #doublecheck-Interview mit Horst Pirker, Dezember 2018

"Politik ist in Geiselhaft des Boulevards" - #doublecheck-Interview mit Medienwissenschafter Josef Trappel, Dezember 2018

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