Lutz Güllner

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Kriegspropaganda im Netz

"Ich würde das viel ernster nehmen"

Keine Rede von Bla-Bla im Netz: Europa müsse genauer hinsehen, was im Ukraine-Krieg im Netz passiert, sagt Lutz Güllner, Leiter der EU-Taskforce für Falschinformationen. Im #Doublecheck-Gespräch mit Nadja Hahn identifiziert er Russlands Fake-News Narrative und warnt davor zu glauben, dass beide Seiten in diesem Krieg gleich tricksen. Russlands Desinformation im Netz habe System und sei Teil der digitalen Kriegsführung.

Noch nie war Social Media in einem Krieg so wichtig wie im Ukraine-Krieg. Die ukrainische Bevölkerung postet Bilder von den Angriffen und ihrer Zerstörung. Das ist von großer Bedeutung, sagt Lutz Güllner, der die EU-Taskforce für Falschinformationen leitet. Im eigenen Land geben die Postings Mut, nach außen bewirken sie Solidarität. Auch Präsident Wolodymyr Selenski und andere Regierungsstellen kommunizieren aktiv im Netz.

Medien Know-how aus der EU

Die EU habe die Ukraine über die letzten Jahre beim Aufbau einer professionellen und serösen Medienarbeit unterstützt, so wie sie es auch in den Ländern am Balkan mache, sagt Güllner. Es gehe darum demokratische Strukturen in Europa aufzubauen und zu festigen. Aber auch die Zivilgesellschaft spiele in der Ukraine eine wichtige Rolle: "Es gibt hervorragende zivilgesellschaftliche Organisationen. Fact-Checker, die auch jetzt mitten im Krieg noch weiterarbeiten und meines Erachtens auch hervorragende Arbeit leisten."

Lutz Güllner, EU-Kommunikationsexperte, im #doublecheck-Interview mit Nadja Hahn

Der Info-Krieg ist noch nicht geschlagen

Aus westlicher Sicht könnte man zwar leicht meinen, dass Russland den Info-Krieg bereits verloren hat. Güllner sagt aber, dass es um mehr als einzelne Botschaften, sondern Narrative geht. Russland habe massiv in den Informationsbereich investiert und eigene Kanäle aufgebaut. "Ich rede hier nicht nur über die Staatsmedien, sondern über ein ganzes Ökosystem an Informationskanälen". Von Webseiten, die mit dem Geheimdienst unter einer Decke stecken bis hin zu Undercover-Operationen in den sozialen Medien. "Ich würde sagen, es ist zu früh, Entwarnung zu geben", so der EU-Experte.
Immerhin habe man mittlerweile erkannt, dass im großen Stil manipuliert wird. "Wir müssen weiterhin nicht nur wachsam sein, sondern auch weiterhin investieren. Einfach um zu verstehen, welche Techniken benutzt werden", so Güllner.

Täuschen und Tarnen in Russland

Zu den pro-russischen Narrativen gehöre die Umkehr von Ursache und Wirkung. Der Kreml erzähle, die wahre Bedrohung gehe nicht von Russland, sondern von der Ukraine aus. Der Ukraine werde außerdem ihr Existenzrecht abgesprochen, während die humanitären Katastrophen, die dort durch die russischen Angriffe geschehen, in Russland verschleiert und versteckt werden. Für Informations-Manipulation und Desinformation werden selbst die Kanäle der russischen Botschaften und des russischen Außenministeriums genutzt, sagt Güllner.

Gezielte Desinformation aus Moskau

Das Argument, dass auch Manipulations- und Desinformationsversuche von der Ukraine ausgehen, relativiert Güllner. Das könne man zwar nicht ausschließen, "aber der große Unterschied und da würde ich wirklich eine dicke rote Linie setzen, ist, welche Staatsaktivitäten dahinterstehen." Immerhin habe Russland mit RT und Sputnik eigene Medien geschaffen, die bewusst als Instrument im Ausland eingesetzt werden. Güllner: "Das haben wir auf der ukrainischen Seite eben nicht. Das ist ein sehr großer Unterschied, den wir nicht außer Acht lassen sollten."
Wer sage, dass beide Seiten lügen, relativiere die russischen Aktivitäten, so Güllner. "Diese Gleichstellung würde ich nicht machen."

Kein Blabla, sondern reale Bedrohung

Der EU-Experte für Desinformation ruft dazu auf, die Bedeutung des Netz-Krieges nicht zu unterschätzen. Der Kampf um die öffentliche Meinung könnte auch den tatsächlichen Krieg beeinflussen, glaubt er: "Wenn wir Ereignisse in den sozialen Medien sehen, die aufgebauscht werden und das für eine weitere Eskalation genutzt werden kann, dann sind das tatsächlich nicht nur Kommunikationsaktivitäten, sondern flankierende Maßnahmen, die wirklich Teil dieser militärischen Aggression sind." Es sei mehr als nur "Blabla im Internet", sondern eine "sicherheitspolitische Situation".

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