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Verlage unter Druck
Wenn Papierfabriken stillstehen
Papier wird infolge der Energiekrise zum knappen Gut. Die Preise gehen durch die Decke, die Zeitungsverlage bringt das unter Druck. Dass die Digitalisierung von den meisten Verlagen verschlafen wurde, hilft auch nicht gerade.
2. Mai 2022, 02:00
Chemikalien, Zellstoffe, Altpapier. All diese Rohstoffe braucht es, um Zeitungspapier zu erzeugen, und sie sind durchwegs im vergangenen Jahr knapper und teurer geworden. Allein deshalb sind die Papierpreise schon spürbar gestiegen, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nun auch die Energiepreise explodieren lassen, was sein Übriges auf dem Papiermarkt angerichtet hat. Denn die Papiererzeugung ist energieintensiver als man gemeinhin meinen könnte. Vor allem für das Trocknen des Papiers braucht es viel Wärme, sprich Strom oder Gas. Kostete die Tonne Papier Anfang 2021 noch rund 400 Euro, liegt der Preis jetzt je nach Anbieter mittlerweile bei 800 bis 900 Euro, teilweise auch darüber, berichtet Markus Mair, Präsident des Verbands der Zeitungen (VÖZ). "Papier ist für uns ein grundsätzlicher Rohstoff im Print-Geschäft." Den Zeitungsmachern gehe das "an die Substanz", Mair rechnet mit groben Verwerfungen in den Gewinn- und Verlustrechnungen. Rund 50 Millionen Euro an Mehrkosten komme auf die Branche zu.
Print-Erlöse sind noch immer maßgeblich
Allein die Mediaprint, der gemeinsame Verlag von "Kronen Zeitung" und "Kurier", verbraucht jährlich satte 60.000 Tonnen Papier. Christoph Niemöller, der für Druck zuständige Mediaprint-Geschäftsführer, beklagt, dass die Papier-Branche die Mehrkosten eins zu eins weitergebe. "Wir haben gar keine Chance mehr zu verhandeln, die Preise werden uns diktiert, und wir müssen sie so nehmen, wie sie sind", sagt Niemöller.
Der Mediaprint-Mann hofft, dass sich die Situation bald stabilisiert. Denn auf die gedruckte Zeitung zu verzichten, ist schlicht unmöglich. Zwar schwebt das Damoklesschwert "Digitaler Wandel" bereits seit Jahren über den alten Print-Verlagsriesen, dennoch haben es die wenigsten bis jetzt geschafft, im Netz tatsächlich Geld zu erwirtschaften. Die Mediaprint gehört jedenfalls nicht dazu: Zwei Drittel ihrer Einnahmen kommen immer noch von Abo-Print-Verkäufen, ein Drittel aus der Werbung. Man habe die Digitalisierung nicht verschlafen, aber man stehe bei der Monetarisierung erst am Anfang, meint Niemöller: "Wir sind im digitalen Geschäft noch nicht so weit, dass wir kostenpflichtige digitale Angebote hätten, die das in Teilen kompensieren könnten."
Gekürzte Seiten und gestrichene Beilagen
Wegen des teuren Papiers musste die Mediaprint sogar schon Seiten kürzen und Beilagen verschieben. "Verbrauchsmanagement" wird der harte Einschnitt genannt. Die Abo- und Verkaufspreise höherschrauben, wie in Italien bereits geschehen, will man noch nicht. Die Angst, die Leserinnen und Leser zu verschrecken, ist zu groß. Ausschließen kann und will es aber niemand.
Papierfabrik legt eine Zwangspause ein
Die hohen Preise irgendwie zu stemmen, ist das eine, das andere ist die Frage, ob die Zeitungen überhaupt noch an genügend Papier kommen. Gerade erst stand eine der größten Papierfabriken des Landes zwei Wochen lang still. Norske Skog in Bruck an der Mur in der Steiermark ist das Gas zu teuer geworden, mittlerweile wird wieder gearbeitet. Ein länger geplanter Umbau eines Gaskessels, der nun mit erneuerbaren Energien betrieben wird, wurde beschleunigt, heißt es. Norske Skog beliefert zahlreiche Zeitungsverlage, sie mussten kurzerhand umdisponieren. Auch die Mediaprint war betroffen. Im Einzelfall sei das kein Problem, da man mit mehreren Lieferanten Verträge habe, aber "wenn es dauerhaft bei vielen Lieferanten Schwierigkeiten gäbe, dann wäre es eine riesige Herausforderung", so Mediaprint-Geschäftsführer Christoph Niemöller. Auch VÖZ-Präsident Markus Mair kann Papier-Engpässe nur für das erste Jahr vorsichtig ausschließen, alles weitere müsse man abwarten.
Bald eine Million Tonnen weniger am Markt
Gar nicht auszudenken, was ein möglicher Import-Stopp von russischem Gas für die Zeitungsmacher bedeuten würde. Wie lange ohne Gas noch gedruckt werden könne, sei von Medienunternehmen zu Medienunternehmen unterschiedlich, je nach Lagerbeständen. Erschwert wird die Situation laut Mediaprint dadurch, dass immer mehr Papierfabriken umsatteln – weg von Zeitungspapier hin etwa zu Verpackungsmaterialen oder Papp-Papier. "Laut unseren Erkenntnissen werden in den nächsten 12 bis 18 Monaten circa eine Million Tonnen in Europa aus dem Markt genommen, das ist eine gewaltige Größe", betont Christoph Niemöller. Mit langfristigen Verträgen versuche die Mediaprint zumindest gewisse Papiermengen sicherzustellen.
Digitalisierung wird jetzt immer drängender
Fest steht: Die Papierkrise ist ein beinharter Weckruf für die Branche. Es sei höchste Zeit, neben Print neue finanzielle Standbeine aufzubauen, sagt Josef Trappel, Professor für Medienökonomie an der Universität Salzburg. "Im Moment kaufen sich Zeitungen Zeit dadurch, dass sie weiterhin das Printprodukt anbieten und an ihre treuen Leserinnen und Leser verkaufen." Aber diese Zeit laufe irgendwann ab. In vielleicht zehn oder zwanzig Jahren könnte es so weit sein, bis dahin steige der Kostendruck aber zunehmend.
Das Schwierige sei, die Zahlungsbereitschaft zu heben. Noch immer sind eher Wenige bereit, auch im Netz für Journalismus zu bezahlen. Die Krise könnte den Medien dabei in die Hände spielen, glaubt Trappel, denn da sei die Nachfrage nach gesicherten Informationen größer. Medien müssten jetzt Überzeugungsarbeit leisten und zeigen, wie wichtig es ist, dass es qualitativ hochwertige Nachrichten gibt. An den vielzitierten Spruch "Print ist tot" will auch Markus Mair noch nicht glauben. Die Nachfrage nach gedruckten Zeitungen sei vorhanden, in naher Zukunft gebe es sie vielleicht nicht mehr täglich, räumt der VÖZ-Präsident ein.
Bedrucktes Papier nicht mehr subventionieren
Medien-Professor Josef Trappel warnt trotz der herausfordernden Zeiten davor, neue Förderungen für gedruckte Exemplare auszuschütten, wie es in der Corona-Krise ja passiert ist. Das wäre der "völlig verkehrte Weg" – und würde auch nicht zur Digitalisierungsförderung passen, die gerade erst vom Nationalrat beschlossen worden ist. Für Medien, die in die Digitalisierung investieren, winken im ersten Jahr in Summe 54 Millionen Euro. Reine Online-Medien sind allerdings ausgeschlossen, was den Verband Österreichischer Zeitungen freut, denn noch wird dort ja fleißig gedruckt. Ob sich diese Abwehr-Haltung für Online-Medien angesichts der derzeitigen Entwicklung auch mal umdrehen könnte, weil die eigenen Mitglieder auch nur noch online erscheinen? "Das kann man nie ausschließen. Es muss jeder den Weg für die Zukunft finden", so Styria-Chef Markus Mair, der Präsident des Zeitungsverbandes.